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April 22, 2022

Kriegsverbrechen vor Internationalem Strafgerichtshof

Internationaler StrafgerichtshofKriegsverbrechen in der Ukraine sollten vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) geahndet werden – wie ist die Rechtslage?

Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof

Moralisch scheint es gerechtfertigt, Kriegsverbrechen vor dem IStGH zu ahnden. Deshalb kommen zunehmend solche Forderungen aus den USA, die auf diesem Wege die „russischen Kriegsverbrechen“ in der Ukraine, besonders „Putins Aggressionskrieg“ ahnden wollen. Auch der ehemalige Richter am IStGH, Prof. Dr. Wolfgang Schomburg deutete am 21.04.2022 im BR an, dass ein Prozess wegen Kriegsverbrechen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin Chancen hätte. Sogar noch in diesem Jahr könnte der IStGH russische Soldaten wegen der „mutmaßlichen Gräueltaten im ukrainischen Butscha“ anklagen.

Wer halbwegs vorurteilsfrei die Militäroperation Russlands in der Ukraine analysiert, wird vielleicht wie Felix Feistel oder Scott Ritter sowohl zum Vorwurf der Aggression als auch der Kriegsverbrechen eine differenziertere Sicht haben. Auch was die Greuel in Butscha betrifft, wäre erst einmal noch zu klären, wer denn wirklich das „Massaker in der Ukraine“ angerichtet hat.

Unabhängig davon bleibt jedoch fraglich, welche Rolle der IStGH hinsichtlich der Kriegsverbrechen spielen soll.

In einem Beitrag, der von consortiumnews.com am 21.04.2022 übernommen wurde, setzt sich Marjorie Cohn kritisch mit dieser Rolle auseinander: „Die USA zerstören den IStGH, wollen aber, dass er die Russen anklagt.“

Marjorie Cohn ist emeritierte Professorin an der Thomas Jefferson School of Law, ehemalige Präsidentin der National Lawyers Guild und Mitglied des nationalen Beirats von Veterans For Peace und des Büros der International Association of Democratic Lawyers. Sie ist Co-Moderatorin des Radios „Law and Disorder“.

Zuständigkeit des IStGH

„Obwohl die Vereinigten Staaten seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2002 massiv versucht haben, den Internationalen Strafgerichtshof zu unterminieren, drängt die US-Regierung nun darauf, dass der Internationale Strafgerichtshof russische Führer wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine strafrechtlich verfolgt. Anscheinend hält Washington den IStGH für zuverlässig genug, um Russen vor Gericht zu stellen, aber nicht, um US- oder israelische Beamte vor Gericht zu stellen.“

Mit dieser Aussage bezieht sich Cohn darauf, dass der US-Senat am 15.03.2022 einstimmig die Resolution S. Res 546 verabschiedete. Darin werden die Mitgliedstaaten des IStGH aufgerufen, „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ untersuchen zu lassen, die von den russischen Streitkräften begangen wurden.

Die USA nehmen sich dieses Recht heraus, obwohl sie sich selbst geweigert haben, dem IStGH beizutreten.

Der Internationale Strafgerichtshof wurde auf der Grundlage des Römischen Statuts am 17.07.1998 gegründet.

Gemäß Statut soll der IStGH Verbrechen verfolgen können, wenn:

  1. das Land des Angeklagten Vertragspartei des Statuts ist;
  2. ein oder mehrere Elemente des Verbrechens im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats begangen werden;
  3. das Land des Angeklagten die Zuständigkeit des IStGH für die Angelegenheit anerkennt oder
  4. auf Befassung durch den UN-Sicherheitsrat.

„Im Jahr 2010 wurde bei den abschließenden Verhandlungen in Kampala, Uganda, eine Änderung hinzugefügt, die jetzt Artikel 15 bis (5) des Römischen Statuts ist.

Es ist dieser Artikel, der den IStGH daran hindert, die Gerichtsbarkeit über russische Führer wegen des Verbrechens der Aggression zu übernehmen.“

Weder Russland noch die Ukraine hätten das Römische Statut ratifiziert. Die Ukraine akzeptiere aber die Gerichtsbarkeit des IStGH gemäß Artikel 12 (3) des Statuts.

Sollte der Sicherheitsrat ein Sondertribunal einberufen wollen, um das in der Ukraine begangene Verbrechen der Aggression zu verhandeln, könnte Russland gegen eine solche Resolution ein Veto einlegen.

Doppelmoral der USA

Cohen verweist auf einen Artikel von Medea Benjamin und Nicolas JS Davies im LA Progressive.

„Die Amerikaner sind zu Recht entsetzt, wenn sie sehen, wie Zivilisten durch russisches Bombardement in der Ukraine getötet werden, aber sie sind im Allgemeinen nicht ganz so entsetzt und akzeptieren eher offizielle Rechtfertigungen, wenn sie hören, dass Zivilisten durch US-Streitkräfte oder amerikanische Waffen im Irak, in Syrien, im Jemen oder im Gazastreifen getötet werden.“

USA meiden Gerichtsbarkeit des IStGH

Selbst die USA sind keine Vertragspartei des Römischen Statuts. Zwar hätte der frühere Präsident Bill Clinton das Statut bei seinem Ausscheiden aus dem Amt unterzeichnet. Doch seinen Nachfolger, den neuen Präsidenten George W. Bush forderte er auf, es nicht dem Senat zur Beratung und Zustimmung zur Ratifizierung vorzulegen.

Ja mehr noch.

„Der Kongress verabschiedete daraufhin das American Service-Members‘ Protection Act (ASPA), das eine Klausel namens ‚Hague Invasion Act‘ enthält. Darin heißt es, dass das US-Militär bewaffnete Gewalt einsetzen kann, wenn ein US-Staatsangehöriger oder ein verbündeter Staatsbürger vom IStGH festgenommen wird.“

Andererseits erlaube die nach dem ehemaligen Senator Christopher Dodd benannte „Dodd-Änderung, die eine Bestimmung des ASPA ist“, den „Vereinigten Staaten ausdrücklich, internationale Bemühungen zu unterstützen, ‚ausländische Staatsangehörige‘, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, vor Gericht zu bringen“

„Die Vereinigten Staaten haben ständig versucht, den IStGH zu untergraben. Die Bush-Regierung erpresste effektiv 100 Vertragsstaaten, indem sie sie zwang,  bilaterale Immunitätsabkommen zu unterzeichnen, in denen sie versprach, keine US-Bürger an den IStGH auszuliefern oder die Vereinigten Staaten ihnen ausländische Hilfe vorenthalten würden.

Nachdem der IStGH im Jahr 2020 eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch US- und Taliban-Führer in Afghanistan eingeleitet hatte, verhängte die Trump-Regierung Sanktionen gegen IStGH-Beamte, die Präsident Joe Biden jedoch rückgängig machte.“

IStGH – Instrument der USA?

Die Sanktionen bewirkten, dass der Chefankläger des IStGH Karim Khan, „den Umfang der Ermittlungen in Afghanistan auf die verdächtigeten Taliban- und ISIS-Führer beschränkte. Er begründete dies mit „begrenzten Ressourcen“ seines Büros im Verhältnis zum Umfang und zur Art der Verbrechen innerhalb der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs.

Die Menschenrechtsanwältin Jennifer Gibson bezeichnete dies gegenüber Al Jazeera als eindeutige politische Entscheidung.

Die Biden-Administration lehnt auch die anhängige Untersuchung des IStGH zu israelischen Kriegsverbrechen im Gazastreifen ab.

Marjorie Cohn kommt zu dem Schluss:

„Einhundert Mitglieder des US-Senats bekräftigten diese Haltung trotz der US-Angriffskriege im Kosovo, im Irak und in Afghanistan und der Begehung von US-Kriegsverbrechen. Wenn die Senatoren wirklich glauben, dass der IStGH zuverlässig genug ist, um russische Führer zu verfolgen, sollten sie Biden dazu drängen, ihnen das Römische Statut zur Beratung und Zustimmung zur Ratifizierung zuzusenden. Was für die russische Gans gut ist, sollte auch für den US-Gänserich gut sein.“

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Thomas Schulze


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Ihr Thomas Schulze

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