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April 16, 2024

Arbeitspflicht und Grundgesetz

Eine Arbeitspflicht gibt es in Deutschland gemäß Grundgesetz Art 12 Abs. 2 nicht – oder doch? Unterwandert der Staat gar die Wirtschaftsunternehmen?

Keine allgemeine Arbeitspflicht – aber konkret doch (wieder)

Im Grundgesetz (GG) Art 12 heißt es zur Arbeitspflicht:

„(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“

Nach den von der Bundeszentrale für politische Bildung offiziell veröffentlichten Grundsätzen greift der Staat „nicht in das wirtschaftliche Geschehen ein“. „Jeder kann Verträge schließen, so wie er es möchte. Es herrscht also völlige Vertragsfreiheit.“

Mit der „sozialen Marktwirtschaft“ als Wirtschaftsordnung der Bunderepublik sollte die Arbeitsaufnahme grundsätzlich freiwillig sein und der Staat nur in Ausnahmefällen regulierend eingreifen. Mit der Regelung im Grundgesetz Art 12 und den genannten Grundsätzen der „sozialen Marktwirtschaft“ sollten Erfahrungen aus der deutschen Geschichte gezogen werden.

Die vielfach hochgelobte „KI“ von ChatGPT wirft auf die Frage „Warum gibt es offiziell keine Arbeitspflicht in Deutschland?“ unter anderem aus:

Historische Erfahrungen: In der deutschen Geschichte gab es Phasen, in denen Zwangsarbeit oder allgemeine Arbeitsdienstpflichten existierten, wie zum Beispiel während des Nationalsozialismus oder in der DDR. Diese Erfahrungen haben gezeigt, dass Zwangsarbeit oder eine allgemeine Arbeitspflicht mit den Grundsätzen der Menschenwürde und der individuellen Freiheit nicht vereinbar sind.

Insgesamt beruht die entscheidung gegen eine allgemeine Arbeitspflicht auf dem Respekt vor den individuellen Rechten und Freiheiten der Bürger sowie auf dem Ziel, einen fairen und ausgewogenen Arbeitsmarkt zu fördern, der auf Freiwilligkeit und sozialer Absicherung basiert.“

Arbeitspflicht für bestimmte soziale Gruppen

Christine Glauning, et al.: Alltag Zwangsarbeit 1938-1945: Katalog zur gleichnamigen DauerausstellungDer Grundsatz, dass es keine „allgemeine, für alle gleiche öffentliche Dienstleistungspflicht“ gem. GG Art 12 (2) gibt, wird allerdings für bestimmte Gruppen durchbrochen.

Beispielsweise gilt für Arbeitslose, die Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit beziehen, dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Arbeitslose müssen sich um eine Arbeitsstelle bemühen und an Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration teilnehmen. Andernfalls kann die Arbeitsagentur zum Beispiel Leistungen gem. Sozialgesetzbuch (SGB) III § 148 kürzen.

Auch im öffentlichen Dienst oder bei bestimmten Berufen können spezifische Arbeitspflichten bestehen, die sich aus Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Dienstvorschriften ergeben.

80 Cent „Aufwandsentschädigung“ für „gemeinnützige Arbeit“

Im Jahr 1993 beschloss die CDU/CSU-FDP-Koalition das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Im § 5 (1) des aktuellen Gesetzes wurde unter dem Begriff „Arbeitsgelegenheiten“ eine Arbeitspflicht festgelegt: Demnach besteht

„die Verpflichtung der Leistungsberechtigten, Tätigkeiten der Selbstversorgung zu erledigen. Im Übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient.“

Es handelt sich also um eine „Verpflichtung“ – keinesfalls nur um eine „Arbeitsgelegenheit“. Diese Arbeitspflicht wird ausdrücklich ebenda im Absatz 4 nochmals bekräftigt:

„Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet. Bei unbegründeter Ablehnung einer solchen Tätigkeit besteht nur Anspruch auf Leistungen entsprechend § 1a Absatz 1. Der Leistungsberechtigte ist vorher entsprechend zu belehren.“

Wenn es denn dabei um eine verpflichtende „Arbeitsgelegenheit“ geht, ergibt sich zunächst wohl die Frage, ob und in welcher Höhe die so Beschäftigten Anspruch auf eine Vergütung gem. BGB § 612 haben:

„(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.“

Doch für die „Leistungsberechtigten“ wird der § 612 BGB außer Kraft gesetzt. Denn für die „Arbeitsgelegenheit“ steht ihnen gem. AsylblG § 5 keine „taxmäßige“ oder „übliche Vergütung“, sondern nur eine „Aufwandsentschädigung“ zu.

„Die Aufwandsentschädigung betrug zunächst zwei D-Mark je Stunde. Mit Einführung des Euro wurden daraus 1,05 Euro. 2016 verringerte eine Große Koalition sie auf 80 Cent. Die damalige SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles begründete dies damit, dass Asylbewerber meist in ihren Aufnahmeeinrichtungen selbst eingesetzt würden und daher nur geringe Ausgaben hätten.“ (businessinsider.de, 01. 03. 2024)

Diese Regelung ist im AsylblG § 5 (2) enthalten:

„Für die zu leistende Arbeit nach Absatz 1 Satz 1 erster Halbsatz und Absatz 1 Satz 2 wird eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent je Stunde ausgezahlt, soweit der Leistungsberechtigte nicht im Einzelfall höhere notwendige Aufwendungen nachweist, die ihm durch die Wahrnehmung der Arbeitsgelegenheit entstehen.“

Diese Arbeitspflicht ist also spezifisch für Personen, die Asyl beantragt haben oder einen vorübergehenden Schutzstatus haben und in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind. Sie gelte nur unter bestimmten Bedingungen, insbesondere wenn die Personen gesundheitlich dazu in der Lage sind und dürfe nicht zu einer Ausbeutung der betroffenen Personen führen – belehrt mich ChatGPT.

Die Arbeit, die sie leisten müssen, soll der „Selbstversorgung“ dienen oder ist „in der Regel gemeinnütziger Natur“ „bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern“.

Hatten wir so etwas nicht schon einmal?

Ich denke da an die „Ein-Euro-Jobs“, die im Jahr 2005 für Hartz-IV-Empfänger eingeführt wurden. Beabsichtigt nicht sogar Bundesfinanzminister Christian Lindner diese Ein-Euro-Jobs wieder einzuführen? Und gibt es nicht auch in der Union Forderungen nach einer Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger?

Kritiken gegen den Misbrauch der „Ein-Euro-Jobs“ wegen Wettbewerbsverzerrungen gegenüber sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen gab es ja mehrfach – und Arbeit für die Sozialgerichte.

Die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles begründete die 80 Cent ja damit, dass „Asylbewerber meist in ihren Aufnahmeeinrichtungen selbst eingesetzt würden“. Doch zunehmend nutzen Städte, Gemeinden und Landkreise wieder solche „Arbeitsgelegenheiten“ für Arbeiten außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen.

Aufgaben der „staatlichen Stellen“

Deshalb habe ich ChatGPT noch nach der Gefahr möglicher Wettbewerbsverzerrungen gefragt:

Frage: Wie ist gesetzlich gesichert, dass diese Arbeiten nicht gegen § 612 BGB, §§ 6ff AGG verstoßen und zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber wirtschaftsunternehmen führen?

ChatGPT:

„Die gesetzlichen Bestimmungen zur Arbeitspflicht von anerkannten Asylbewerbern und Personen mit Aufenthaltsgestattung gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) wurden entwickelt, um die Integration dieser Personen in die Gesellschaft zu fördern und sie in den Arbeitsmarkt einzubeziehen. Dabei wird darauf geachtet, dass diese Arbeitsgelegenheiten bestimmten Kriterien entsprechen, um mögliche rechtliche Probleme zu vermeiden:

Freiwilligkeit: Die Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten ist in der Regel freiwillig. Personen dürfen nicht gezwungen werden, diese Arbeiten auszuführen. Es wird jedoch erwartet, dass diejenigen, die dazu in der Lage sind, sich an gemeinnützigen Tätigkeiten beteiligen.

Gemeinnützigkeit: Die Arbeit, die im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten geleistet wird, soll gemeinnützig sein und nicht in direktem Wettbewerb mit regulären Arbeitsplätzen stehen. Typischerweise handelt es sich um Tätigkeiten im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, der Landschaftspflege oder anderen gemeinnützigen Projekten.

Angemessene Entlohnung: Personen, die gemeinnützige Arbeit leisten, haben in der Regel Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Diese kann in Form von Geld- oder Sachleistungen erfolgen.

Nichtdiskriminierung: Die Arbeitsgelegenheiten dürfen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen, das Diskriminierung aufgrund von ethnischen Herkunft, Religion, Geschlecht, Alter oder anderen geschützten Merkmalen verbietet. Alle Personen müssen gleich behandelt werden, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsstatus.

Wettbewerbsverzerrungen: Es wird darauf geachtet, dass die Arbeitsgelegenheiten nicht zu einer unfairen Konkurrenz für Wirtschaftsunternehmen führen. Die Arbeiten sollen ergänzend zu regulären Arbeitsplätzen sein und nicht dazu führen, dass reguläre Arbeitskräfte durch billigere Arbeitskräfte aus Arbeitsgelegenheiten ersetzt werden.

Die konkrete Umsetzung und Einhaltung dieser Grundsätze werden durch staatliche Stellen überwacht und kontrolliert. Wenn Verstöße gegen geltende Gesetze oder Diskriminierung festgestellt werden, können rechtliche Schritte eingeleitet werden, um die Rechte der Betroffenen zu schützen und etwaige Missstände zu beheben.“

Ich bin gespannt, wie die „staatlichen Stellen“ die Umsetzung und Einhaltung dieser Grundsätze überwachen und kontrollieren.  😉

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Thomas Schulze


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