Sanktionen sind auf völkerrechtlicher Basis gemäß Artikel 41 der UN-Charta möglich. Einen Beschluss darüber kann nur der Sicherheitsrat fassen.
Sanktionen – auf völkerrechtlicher Grundlage
Mit der Gründung der Vereinten Nationen und der Annahme der UN-Charta in San Franzisco am 26. Juni 1945 beschlossen die Gründungsmitglieder, auch bestimmte nichtmilitärische Interventionsmöglichkeiten beschließen zu können. Diese sollten es ermöglichen, Staaten, politische Eliten oder andere spezielle Gruppen zu zwingen, die Menschenrechte oder UNO-Beschlüsse einzuhalten.
Demgemäß heißt es in Artikel 41 der UN-Charta:
„Der Sicherheitsrat kann beschließen, welche Maßnahmen – unter Ausschluß von Waffengewalt – zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen; er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese Maßnahmen durchzuführen. Sie können die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschließen.“
Als Voraussetzung für die Verhängung von Sanktionen ist in der UN-Charta im Artikel 39 festgelegt:
„Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschließt, welche Maßnahmen auf Grund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.“
Die Beschlüsse des Sicherheitsrates sind für alle UNO-Mitglieder verbindlich. Allerdings müssen dafür mindestens 9 der 15 Mitglieder zustimmen und darf kein ständiges Mitglied ein Veto eingelegen. Ständige Mitglieder des Sicherheitsrates sind die drei NATO-Mitglieder USA, Großbritannien und Frankreich sowie Russland und China.
In Wikipedia werden als „bekannte Beispiele für verhängte UN-Sanktionen“ solche gegen Haiti, das (ehem.) Jugoslawien oder Nordkorea genannt.
Sanktionen gegen Russland
Weil für UNO-Sanktionen keines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates ein Veto einlegen darf, sind Sanktionen gegen einen dieser fünf Staaten praktisch unmöglich.
Deshalb haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder einzelne Staaten und Staatenbündnisse unterhalb diese Schwelle eigenständig Sanktionen verhängt. Gerade Russland war in der vergangenen Jahren besonders von Sanktionen der USA und der EU-Staaten betroffen.
Die EU behauptet ihr Recht zur Verhängung von Sanktionen gegen Russland mit der Begründung;
„Fallen die EU-Sanktionen unter das Völkerrecht?
Ja. Alle Sanktionen der EU stehen in vollem Einklang mit den Verpflichtungen aus dem Völkerrecht und achten die Menschenrechte und die Grundfreiheiten.
Sobald die EU-Mitgliedstaaten eine politische Einigung erzielt haben, werden die erforderlichen Rechtsakte vom Europäischen Auswärtigen Dienst und/oder der Europäischen Kommission ausgearbeitet und dem Rat zur Annahme vorgelegt.
Verordnungen und Beschlüsse des Rates sind als Rechtsakte mit allgemeiner Geltung für alle Personen und Einrichtungen, die der Rechtshoheit der EU unterliegen, verbindlich. Das heißt, sie gelten für alle Personen und Einrichtungen in der EU, alle Bürgerinnen und Bürger der EU unabhängig von ihrem Aufenthaltsort und alle nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats gegründete Unternehmen und Organisationen.“
Mit dieser Begründung nimmt sich die EU das Recht heraus, Russland – und in der Vergangenheit auch andere Staaten – zu sanktionieren.
Seit 2014 führt die ukrainische Regierung im eigenen Land einen Bürgerkrieg gegen die Donbassrepubliken, die um ihre Autonomie kämpfen, um nicht der Diskriminierung der ukrainischen Zentralregierung ausgeliefert zu sein.
In seiner Rede an die Nation erklärte der russische Präsident Putin am 24.02.2022:
„In diesem Zusammenhang habe ich gemäß Kapitel VII Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, mit Genehmigung des russischen Föderationsrates und in Übereinstimmung mit den von der Bundesversammlung am 22. Februar dieses Jahres ratifizierten Verträgen über Freundschaft und gegenseitigen Beistand mit der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Lugansk beschlossen, eine Militäroperation durchzuführen.“
Als Antwort auf die russische Militäroperation in der Ukraine kündigte die EU Sanktionen an, um Russlands Öl-, Banken-, Technologie- und Luftfahrtindustrie „aus dem Gleichgewicht zu bringen“. Zugleich will die EU das Kapital der russischen Elite in Europa sanktionieren und Diplomaten und Geschäftsleuten den bevorzugten Zugang zur EU verwehren.
Zum Vergleich und zur Erinnerung
Einem außenstehenden Betrachter drängen sich da ein paar Vergleiche auf:
- Am 25. und 26. 05.1995 bombardierte die NATO in Bosnien. Bosnien war kein NATO-Land. Es lag also auch kein Bündnisfall vor. – Welcher NATO-Poltiker und welche NATO-Staaten wurden daraufhin mit Sanktionen belegt?
- Vom 30.08. bis 14.09.1995 bombardierte die NATO erneut in Bosnien. Im Rahmen der Operation „Deleberate Force“ beteiligten sich acht Nationen. In mehr als 3.000 Kampfeinsätzen warfen sie mehr als 1.000 Bomben ab. Zwei Drittel der Einsätze flogen US-Maschinen. – Wurden der US-Präsident Clinton oder ein anderer Politiker oder die USA dafür sanktioniert?
- Am 24.03.1999 begann die NATO Serbien zu bombardieren. Beteiligt waren auch Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Norwegen, Italien, Niederlande, Belgien, Portugal, Türkei und Spanien. Das Borbardement dauerte 78 Tage und Nächte. – Welche Regierungsmitglieder aus diesen Ländern wurden mit Sanktionen belegt? Welche Staaten wurden mit Sanktionen belegt?
- Ab dem 07.10.2001 bombardierten die USA Ziele in ganz Afghanistan mit Marschflugkörprn, Kampfflugzeugen und B-2-Langstreckenbombern. – Wann wurde dafür der damalige US-Präsident Bush oder ein anderer US-Politiker bzw. die USA sanktioniert?
- Am 20.03.2003 begann die Bombardierung ausgewählter Ziele in Bagdad durch die USA. – Welche Sanktionen wurden gegen US-Präsident Bush, andere US-Politiker oder die USA verhängt?
- Ab dem 19.03.2011 veranlassten US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron die Bombardierung Lybiens. – Wann wurde einer der drei Regierungschefs, Politiker dieser oder der anderen am Krieg beteiligten 12 NATO-Staaten mit welchen Sanktionen belegt?
- Am 15.04.2014 begann die ukrainische Armee die Stadt Slawjansk im Donbass mit Panzern und Schützenpanzern anzugreifen. Damit begann der Bürgerkrieg in der Ukraine. (In der britischen Daily Mail erschien damals ein Artikel mit Bildern und dem Kommentar: „… die Bilder, die stark an die Spuren der Zerstörung erinnern, die Hitlers Truppen vor 70 Jahren in der Sowjetunion hinterlassen haben…“.) – Wurde irgendein Politiker, ein „amerikanischen Berater“ (die nach Aussagen des Daily Mail die Operation planten), der Ukraine für den seit 2014 andauernden Krieg jemals sanktioniert?
Die Liste ließe sich fortsetzen. Allein als „Militäroperationen“ seit 2000 listet wikipedia 13 US-Operationen auf. Welche Sanktionen gab es dazu?
Nicht genug damit werden nunmehr auch russischen Künstlern und Sportlern Sanktionen angedroht, wie beispielsweise Stardirigenten Valery Gergiev: Scala und München drohen Stardirigenten Gergiev mit Rauswurf. Begründung: Er gilt als „dezidierter Unterstützer von Russlands Präsident Wladimir Putin“.
Was zeigt dieser Vergleich: „Quod licet Iovi, non licet bovi“ („Was Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“)