Sanktionen zur Einhaltung der „regelbasierten Ordnung“ widersprechen dem Völkerrecht. UN-Menschenrechtsrat fordert, sie zu beenden.
Sanktionen bedrohen mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung
Sanktionen werden von Politikern und Medien in den westlichen Ländern gern als Mittel propagiert, um bestimmten Staaten und Regierungen dazu zwingen, sich an eine von ihnen bestimmte „regelbasierte Ordnung“ zu halten.
Im Laufe der letzten Jahre wurden Sanktionen gegen Staaten, natürliche und juristische Personen immer öfter verhängt.
Ben Norton, ein investigativer Journalist und Analyst, Gründer und Herausgeber des Geopolitical Economy Reports, verwies in einem Beitrag am 17.04.2023 darauf, dass die US-Regierung dieses Instrument der Wirtschaftskriegsführung massiv einsetzt. Denn mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung lebt in Ländern, die von Washington mit Sanktionen belegt wurden.
Quelle: geopoliticaleconomy.com/
„Einseitige Sanktionen, die nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gebilligt werden – und das ist die große Mehrheit der von den USA verhängten Sanktionen -, verstoßen in eklatanter Weise gegen das Völkerrecht.“
Sanktionen auf völkerrechtlicher Basis sind gemäß Artikel 41 der UN-Charta möglich. Einen Beschluss darüber kann nur der Sicherheitsrat fassen.
Sanktionen erlassen zunehmend jedoch auch einzelne Staaten oder Gruppen von Staaten. So bereitet die EU inzwischen das 11. Sanktionspaket vor, mit dem auch Länder sanktioniert werden sollen, die die Sanktionen gegen Russland umgehen. Dazu zählen nach Ansicht der EU-Kommission beispielsweise Kasachstan, Armenien und die Vereinigten Arabischen Emirate.
„Über den Vorschlag der Kommission unter Führung der deutschen Spitzenpolitikerin Ursula von der Leyen sollen am kommenden Mittwoch die ständigen Vertreter der 27 EU-Mitgliedstaaten in Brüssel beraten. Ziel ist es, das elfte Sanktionspaket noch in diesem Monat zu beschließen. Neben dem neuen Instrument für Exportkontrollen soll es unter anderem auch Strafmaßnahmen gegen weitere Personen und Organisationen umfassen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen.“ (sueddeutshe.de, 06.05.2023)
UN-Menschenrechtsrat und „Gruppe der 77 + China“ fordern Aufhebung der Sanktionen
Erst am 03.04.2023 stimmten die Mitgliedsstaaten des UN-Menschenrechtsrates über die Resolution A/HRC/52/L.18 mit dem Titel „Die negativen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen auf die Wahrung der Menschenrechte“ ab.
Für die Resolition stimmten 33 Staaten, 3 stimmten dagegen und Mexiko hat sich enthalten. Mit der Resolution werden alle Staaten nachdrücklich aufgefordert
„keine einseitigen Zwangsmaßnahmen mehr zu beschließen, beizubehalten, durchzuführen oder einzuhalten … die nicht im Einklang mit dem Völkerrecht, dem humanitären Völkerrecht … der Charta der Vereinten Nationen und den Normen und Grundsätzen für friedlichen Beziehungen zwischen den Staaten“
stehen.
Auf ihrem Forum vom 26. bis 28.04.2023 in Santiago de Chile erklärte die „Gruppe der 77 + China„, zu der inzwischen 134 Länder gehören, die 75 Prozent der Mitglieder der Vereinten Nationen und 80 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren:
„„Angesichts der aktuellen Herausforderungen müssen wir, die Länder des Südens, unsere Einigkeit und ihren Kampfgeist wie nie zuvor stärken, um unsere legitimen Forderungen durchzusetzen. Nur so können wir verhindern, dass die herrschende ungerechte Ordnung die Träume unserer Völker von Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit endgültig zunichte macht.“
Folgen der völkerrechtswidrigen Sanktionen
In der Resolution verweisen die Mitgliedstaaten besonders auf
- die unverhältnismäßigen und unterschiedslosen menschlichen Kosten einseitiger Sanktionen und
- ihre negativen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf Frauen und Kinder sowie
- schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte mit besonderen Folgen für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen.
Es ist erwiesen, dass Sanktionen in der Vergangenheit wesentliche wirtschaftliche Folgen besonders für die Länder des „globalen Südens“ hatten: A) ein Rückgang der Handelsaktivität, B) eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Aktivität, C) steigende Konflikte zwischen Ländern, D) unzureichende Zugang zu strategischen Ressourcen und E) eine Abnahme des BIP-Wachstums und eine Verringerung der Lebensstandards in den betroffenen Ländern.
Viele Menschen müssen aufgrund der völkerrechtswidrigen Sanktionen sterben. Laut einer Studie des Center for Economic and Policy Research verursachten allein die illegalen Sanktionen der USA von 2017 bis 2018 schätzungsweise 40.000 Todesfälle in Venezuela.
Ein weiteres Beispiel: Bericht des UN-Sonderberichterstatters Idriss Jazair Die Sanktionen gegen Syrien verschärfen die humanitäre Krise
Sanktionen gegen Russland nicht erst seit Februar 2022
Politiker und Medien der NATO-Staaten und die Europäische Union (EU) begründen ihre Sanktionen gegenüber Russland immer wieder mit der russischen „Aggression“ gegen die Ukraine.
Doch die Anzahl der Sanktionen hat schon lange vor Russlands Militäroperation in der Ukraine deutlich zugenommen, stellt Ben Norton fest:
„Die Zahl der von der US-Regierung verhängten Sanktionen stieg in den zwei Jahrzehnten zwischen 2000 und 2021 von 912 auf 9.421 und damit um 933 %, wie der Wirtschaftswissenschaftler Timothy Taylor anhand von OFAC-Daten feststellte.“
Wie das Diagramm erkennen lässt, war es keinesfalls der Beginn der Militäroperation Russlands in der Ukraine, der von den westlichen Staaten für eine beispiellose Welle von Sanktionen genutzt wurde.
Immer deutlicher zeigt sich jedoch, dass das eigentliche Ziel der Sanktionen, Russland zu schaden und wirtschaftlich zu schwächen, immer weniger erreichbar wird. Wie Wolf D. Hartmann, Wolfgang Maennig und Walther Stock analysierten, ist dies jedoch keinesfalls eine einmaliger Fehlschlag. Eine Reihe historischer Beispiele zeigt, dass Sanktionen selten ihr Ziel erreicht haben. Deshalb fragen sie: „Sicherheit, Frieden und Demokratie brauchen mehr als nur Strafmaßnahmen. Laufen wir also in eine Sanktionsfalle?“
Außenpolitiche Sprecher der Bundestagsfraktionen zur Resolution des UN-Menschenrechtsrates
Wie die Bundestagsfraktionen zur Resolution des UN-Menschenrechtsrates stehen, wollte RT DE wollte wissen und erhielt lediglich zwei Antworten.
Der Bundestagsabgeordnete der AfD, Petr Bystron, antwortete u.a.:
„Diese Resolution ist uns bekannt und trotzdem passiert nichts. Unsere Bundesregierung ist Millionen von Lichtjahren von einer Rechtsstaatlichkeit entfernt.“
Der FDP-Abgeordnete Ulrich Lechte, der für die FDP im auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sitzt, antwortete:
„Sie beziehen sich vermutlich auf die Resolution ‘The negative impact of unilateral coercive measures on the enjoy of human rights’ (A/HRC/52/L.18), die von Aserbaidschan im VN-Menschenrechtsrat eingebracht wurde. Diese Resolution widmet sich einseitig den menschenrechtlichen Auswirkungen von Sanktionen, lässt dabei aber den Anlass der Sanktionen, also z. B. den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, und seine menschenrechtlichen Auswirkungen völlig außer Acht.
Diese sind aber weitaus schwerwiegender. Zudem werden die Sanktionen gegen Russland unter uneingeschränkter Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen verhängt, einschließlich der Verpflichtungen, die sich aus dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechtsnormen ergeben.
Da sie gerade dazu dienen, den sanktionierten Staat zur Einhaltung von völkerrechtlichen Verpflichtungen zu bewegen, leisten sie einen Beitrag zur allgemeinen Stärkung des Völkerrechts und der internationalen Sicherheit.“
Kennt Herr Lechte eventuell die UN-Charta nicht?