Mai 3, 2022

Krankheit als Machtinstrument

Selbst ist der Kranke

Menschen gezielt krank zu machen, ist ein fester Bestandteil der Kontrolle durch Herrschaft — wer krank wird, verliert seine Souveränität.

von Gerd Reuther

Untertanen sind nicht immer krank, aber Kranke sind immer unterlegen. Wer Hilfe sucht und sich in Obhut begibt, unterwirft sich zumindest für einen bestimmten Zeitraum. Er akzeptiert Weisungen und verzichtet auf Autonomie. Die Verbreitung von Krankheiten gehörte daher immer zum Werkzeugkasten der Kriegsführung. Ob die Hunnen im Jahr 1346 Körper von Pesttoten über die Mauern der Stadt Caffa, heute Feodossija, auf der Halbinsel Krim katapultierten oder europäische Eroberer 1763 in Amerika durch die Verteilung mit Pocken verseuchter Decken Ureinwohner töteten (1): Biowaffen sind keine Erfindung unserer Zeit.

Auch die Vortäuschung einer tödlichen Infektionsgefahr stammt nicht aus einem War-Room heutiger Experten für Informationsbiowaffentechnologie. Gerüchte über ansteckende Krankheiten waren immer Teil der psychologischen Kriegsführung, um die Widerstandskraft des Gegners zu brechen. Noch nie war allerdings eine Inszenierung so global gegen Bevölkerungen gerichtet wie bei „Covid“.

Grundlage jedes Drohszenarios mit Krankheiten beruht auf mangelndem Selbstvertrauen in die körpereigenen Heilungskräfte. Wir sind gegen keinen Krankheitserreger und kein Toxin wehrlos. Das Bewusstsein eines eigenen „inneren Arztes“ ist aber vielen Menschen inzwischen abhandengekommen. Die Selbstaufgabe wird komplett, wenn Kranke dann noch auf jede Form der Selbstbehandlung verzichten und ihr Heil beim Notarzt suchen. Ist der Irrglaube an die Notwendigkeit äußerer Heilkräfte Teil unserer DNA oder wann verloren viele Menschen das Zutrauen zu ihrer Biologie?

Die Unterwerfung unter die Ratschläge und die meist inszenierte Heilkompetenz Anderer hat eine lange Tradition. Schon in der frühen Menschheitsgeschichte gab es bei existentiell bedrohlichen Erkrankungen ein Bedürfnis nach wirkmächtigen Kräften.

Personifizierte Naturkräfte wurden wahrscheinlich überall angerufen. Bald boten sich Menschen als Vermittler an. Sie stellten in Aussicht, bei den halluzinierten Göttern und Geister einen günstigen Verlauf zu erwirken. Das Besprechen von Wunden und das Wünschen überhaupt sind uralte Rituale, zum Beispiel der zweite Merseburger Zauberspruch.

Man pilgerte zum Ort der Verheißung oder wurde dorthin getragen. Psychologische und körperliche Dienstleistungen konnten dabei auf verschiedene Personen verteilt werden. So gab es in der ägyptischen Hochkultur das Triumvirat aus Priester, Schamane und Heilkundigem. Ritueller Hokuspokus oder drogenvermittelter Heilschlaf — die Machtverhältnisse waren klar. In der Tempelmedizin wurden Besserungen und Heilungen nie auf die körpereigenen Reparationsmechanismen zurückgeführt, sondern auf die göttliche Willkür. Ob Tempel oder heiliger Hain — ohne den Genius loci war der Heilungserfolg gefährdet.

Mit dem Aufkommen von Heilersippen in den kleinteiligen Gesellschaften im östlichen und südlichen Mittelmeerraum im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung änderten sich zwar die Behandlungsparadigmen, das Selbstvertrauen zur eigenen Biologie kehrte damit allerdings nicht zurück. Krankheiten mutierten von göttlichen Strafen zu Versäumnissen in der Lebensführung, die von Hippokrates und Co. aufgedeckt und abgestellt werden mussten. Der atheistische empirische Zugang zu Krankheitsursachen verfestigte sogar die Zweifel an den Selbstheilungskräften (2).

Genesungen durch die Selbstheilungskräfte wurden schon aus geschäftlichen Gründen von den Therapeuten vereinnahmt — egal wie untauglich die Behandlungen waren.

Immerhin konnten Kranke jetzt auch die Therapeuten in den eigenen vier Wänden empfangen und zu Dienstnehmern degradieren, die jederzeit entlassen werden konnten. Therapieangebote und Behandler mussten überzeugen, um im Geschäft zu bleiben. Die Begegnung war privat — ob in den Räumlichkeiten des Kranken oder des Behandlers. Freilich bis ins Spätmittelalter nur für zahlungskräftiges Klientel. Die späteren gingen nur bei der Oberschicht ein und aus.

Auch im Wertekanon der katholischen Kirche hatten eigenständige Naturkräfte keinen Platz. Selbstheilungskräfte autonomer Menschen waren für die Kirche genauso wenig eine Denkoption wie später für den medizinisch-industriellen Komplex. Die Mischung aus Hilflosigkeit und überliefertem Glauben an magische Kräfte wurde von der katholischen Kirche mit der Vorstellung von Krankheit als Sündenstrafe unterstützt. Fürsprachen, Handauflegen und „Wunderheilungen“ waren eine der Hauptquellen des kirchlichen Reichtums.

Wallfahrtsorte vereinnahmten Spontangenesungen als Leistungen der Obrigkeit und beanspruchten für die dort verehrten Heiligen den „Arzt“-Titel (3). Heilen konnten eben nur Heilige. Außerkirchliche Therapieversuche wurden als unzulässige Eingriffe in den göttlichen Plan verurteilt. Siechenhäuser und Spitäler unterbanden von Anfang an Selbstbehandlungen und beanspruchten Besserungen der Befindlichkeit für sich.

Dennoch setzte die breite Masse der Bevölkerung bis weit in das 20. Jahrhundert wenigstens noch auf Selbstbehandlungen. Die Erfahrung lehrte, dass unser Körper die Mehrzahl der Beschwerden allein regelt. Eine Veränderung der Lebensgewohnheiten, Nahrungskarenz und empirische Hausmittel haben in der Geschichte mehr Gesundheit wiederhergestellt als Ärzte. Hausmittel zur Unterstützung der Wundheilung, Abhilfe gegen Durchfall und Schmerzzustände hatte man bei der Hand. Apotheker unterstützten die Selbstermächtigung, da sie Kräuter verarbeiteten, Alkohol ausschenkten und Schlafmittel vorhielten.

Wichtige Entscheidungshoheit

Als Spiegel für das Selbstvertrauen Kranker eignet sich das Rollenverhältnis zwischen Arzt und Patient. Pilgert der Kranke zum Behandler oder bittet er ihn zu sich? Eine Frage, die inzwischen unzeitgemäß und überflüssig erscheint, da Hausbesuche fast nur noch als Notarzteinsätze erfolgen. Wer ernstlich krank ist, sucht gleich eine Klinik auf oder wird dorthin verfrachtet. Der Ort der Behandlung bestimmt aber die Entscheidungsfreiheit des Kranken.

Je nach Schwere ihrer Erkrankung waren Patienten zwar immer in einer schwächeren Position, behielten aber außerhalb von Hospizmauern ihre Entscheidungshoheit. Es bestand ein jederzeit kündbares Behandlungsverhältnis, das Patienten die Selbstbestimmung beließ.

Schließlich leistete jeder die geforderten Zahlungen persönlich und bis zum Ende des Mittelalters oft nur erfolgsabhängig (4). Der Patient konnte bei allen Therapeuten immer das Weite suchen. Nur wer wegen Ansteckungsgefahr, fehlender Pflege oder Zahlungsunfähigkeit nicht zuhause bleiben konnte, musste in Siechenhäuser.

Für Sklaven und Soldaten, für Mittel- und Obdachlose gab es dagegen im antiken Rom oder im Mittelalter Krankenlager beziehungsweise Hospize. Dort wurden sie von Ärzten und/oder Handwerkschirurgen unentgeltlich versorgt, hatten aber auch keine Ansprüche zu stellen. Kranke waren abhängige Insassen, die sich einer Behandlung nicht ohne weiteres entziehen und bei mangelnder Compliance entlassen werden konnten. Hospitäler galten wie Gefängnisse als letztes Asyl (5).

Nach dem Sturm auf die Bastille lösten die von der feudalen Unterdrückung befreiten Bürger kurzerhand alle Kliniken auf. In einer egalitären Gesellschaft würden Krankheiten bald der Vergangenheit angehören, lautete das Credo. Dass dies nur kurz währte, lag nicht nur am Fehlschluss, alle Leiden auf soziale Ursachen zurückzuführen. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verpufften zu schnell. Unter Napoleon wurde die Zentralgewalt wiederhergestellt. Kliniken brauchte man dann schon allein wieder für die Kriegsinvaliden.

Mit der Emanzipation der Chirurgie ab dem 19. Jahrhundert entwickelten sich Siechenhäuser von Pflegeheimen für chronisch Kranke zu Kliniken für akute Fälle. Damit weitete sich der Kontrollverlust Kranker auf größere Kreise der Bevölkerung aus. Patienten mussten nicht nur ihre Privatsphäre in Schlafsälen preisgeben und konnten oft nicht einmal ein eigenes Bett beanspruchen. Ihre Selbstbestimmung wurde irreparabel beschädigt.

Saalwärter oder -wärterinnen führten die Aufsicht mit Kasernenton und Sanktionsgewalt:

„Jeder Kranke muss das ihm angewiesene Bett ohne Widerrede einnehmen und darf ohne ärztliche Erlaubnis nicht aufstehen“ (6).

Wer sich widersetzte, wurde nicht nur der Klinik verwiesen, sondern konnte Arbeitsplatz und Sozialleistungen verlieren. Es verblieb lediglich das Recht auf eine Entlassung in eigener Verantwortung, jedoch nur, sofern keine Infektionsschutzbestimmungen griffen.

Austauschbare Objekte

Kranke wurden auf die ihnen zugeschriebene Diagnose reduziert und schrumpften zu austauschbaren Studienobjekten eines Beschwerdebildes. Allzeit verfügbar mussten sie für alle Verordnungen und allen damit befassten Personen zur Verfügung stehen. In dieser Entpersönlichung waren Aderlässe und Operationen viel schneller ins Werk gesetzt als in einer privaten Begegnung. Die Operationsfrequenz stieg mit der Gründung von Kliniken stark an. Kranke waren zur Ware „Patient“ geworden. Der Verlust der Selbstbestimmung kostete viele Menschen die Gesundheit und das Leben.

Bis weit in das 20. Jahrhundert konnten sich Wohlhabende dieser klinischen Degradierung entziehen. Mit der Aussicht auf spezialisierte Diagnosetechniken und operative Heilungsmöglichkeiten, die nur in Kliniken vorgehalten wurden, verfiel dieses Privileg allerdings zusehends. Privatkliniken und Sonderstationen in allgemeinen Krankenhäusern boten der zahlungskräftigen Klientel nur einen matten Abklatsch der ehemaligen Rolle als häuslicher Auftraggeber.

Die Abhängigkeit begann sich auch für die Oberschicht umzukehren. Mit Ausweitung der Versicherungspflicht auf höhere Einkommen verkamen ihre Privilegien spätestens zum Ende des 20. Jahrhunderts zu einem bloßen Komfort-Signet. Heute gibt es in vielen Ländern unabhängig von der Größe des Geldbeutels zwei Behandlungssituationen: Unpässlichkeiten in den Räumen eines Arztes, gravierende Befindlichkeitsstörungen in Kliniken.

Stationäre Behandlungen leisteten der Entwicklung Vorschub, die Verantwortung für schlechte Krankheitsverläufe auf die Patienten abzuwälzen und behandlungsbedingte Fehler zu vertuschen.

Im persönlichen Dienstverhältnis war dies nur bedingt möglich, ohne die Kundschaft zu verlieren. Bei Unstimmigkeiten zwischen Arzt und Patient wurde der Arzt von seiner Dienstverpflichtung entbunden. In den Kliniken kehrte sich das Verhältnis um: Patienten wurden nach Befinden der Ärzte entlassen und weggeschickt. Ein Recht Kranker auf eine Behandlung durch einen bestimmten Arzt gab es allenfalls noch für privat Versicherte und Selbstzahler.

Großkliniken mit menschenabweisender Architektur, die seit dem Zweiten Weltkrieg in demokratischen Gemeinwesen entstanden sind, hätten eine Warnung sein müssen. So wie Gebäudekomplexe von Banken und Versicherungen Städtesilhouetten dominierten, dokumentierten ausufernde Klinikareale den Machtanspruch des medizinisch-industriellen Komplexes. Schiere Größe und abweisende Fassaden, die den Passanten über den Zutritt im Unklaren lassen, erzeugen die notwendige Mischung aus Unbehagen und Minderwertigkeitsgefühl. In diesen Gebäuden ist man einem Schicksal ausgeliefert, das andere bestimmen.

Mit der „Covid“-Inszenierung traten diese autoritären Machtverhältnisse, die sich über Jahrzehnte angebahnt hatten, offen zutage. Entgegen der Genfer Deklaration des Weltärztebundes war Selbstbestimmung der Kranken nicht mehr oberstes Gebot. Ohne das Selbstbestimmungsrecht der Menschen führt die Medizin aber das Ende der Gesundheit herbei.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Frischknecht F: The history of biological warfare. EMBO Rep 2003; 4(Suppl 1): S47-52
(2) Ackerknecht EH: Problems of primitive medicine. in: Lessa WA, Vogt EZ (Hrsg.): Reader in Comparative Religion. S. 394-402; Harper & Row; New York 1965
(3) Jütte R: Geschichte der Alternativen Medizin. S. 68ff.; C.H. Beck; München 1996
(4) Ein mittelniederdeutsches Gedicht über das Arzthonorar. Sudhoffs Archiv 1969; 53(1):100-5
(5) Fosseyeux M: L’Hotel-Dieu de Paris au XVIIe et XVIIIe siècles. Levrault; Paris 1912
(6) Hausordnung des Alfred-Krupp-Krankenhauses in Essen von 1875; zitiert nach: Jütte R: Vom Fabrik- zum Stiftungskrankenhaus. Deutsches Ärzteblatt 2020; 117(40):B-1582-3


Dieser Artikel erschien auf Rubikon am 27.04.2022 und ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.

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