Lohnsteuerklassen – Wer hat welche?
Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Lohn, Gehalt) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn als sogenannte „Lohnsteuer“ erhoben. Damit bekommen die Beschäftigten nicht das Bruttoentgelt, sondern nur das Nettoentgelt ausgezahlt, denn auch die Sozialversicherungsbeiträge werden gleich mit abgezogen.
Die „Lohnsteuer“ ist keine eigenständige Steuerart. Schließlich wird mit der Bezeichnung nur herausgestellt, dass die Erhebung der Einkommensteuer in einer speziellen Form erfolgt – nämlich durch Steuerabzug bereits bei Auszahlung von Lohn und Gehalt.
Zu diesem Zweck werden den Lohn- und Gehaltsempfängern bestimmte Lohnsteuerklassen zugeordnet.
Wie steht das genau im Gesetz?
§ 38b Lohnsteuerklassen
1. In die Steuerklasse I gehören Arbeitnehmer, die
a) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und
aa) ledig sind,
bb) verheiratet, verwitwet oder geschieden sind und bei denen die Voraussetzungen für die Steuerklasse III oder IV nicht erfüllt sind; oder
b) beschränkt einkommensteuerpflichtig sind;
2. in die Steuerklasse II gehören die unter Nummer 1 Buchstabe a bezeichneten Arbeitnehmer, wenn bei ihnen der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b) zu berücksichtigen ist;
3. in die Steuerklasse III gehören Arbeitnehmer,
a) die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers auf Antrag beider Ehegatten in die Steuerklasse V eingereiht wird,
b) die verwitwet sind, wenn sie und ihr verstorbener Ehegatte im Zeitpunkt seines Todes unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und in diesem Zeitpunkt nicht dauernd getrennt gelebt haben, für das Kalenderjahr, das dem Kalenderjahr folgt, in dem der Ehegatte verstorben ist,
c) deren Ehe aufgelöst worden ist, wenn
aa) im Kalenderjahr der Auflösung der Ehe beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und nicht dauernd getrennt gelebt haben und
bb) der andere Ehegatte wieder geheiratet hat, von seinem neuen Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt und er und sein neuer Ehegatte unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, für das Kalenderjahr, in dem die Ehe aufgelöst worden ist;
4. in die Steuerklasse IV gehören Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben; dies gilt auch, wenn einer der Ehegatten keinen Arbeitslohn bezieht und kein Antrag nach Nummer 3 Buchstabe a gestellt worden ist;
5. in die Steuerklasse V gehören die unter Nummer 4 bezeichneten Arbeitnehmer, wenn der Ehegatte des Arbeitnehmers auf Antrag beider Ehegatten in die Steuerklasse III eingereiht wird;
6. die Steuerklasse VI gilt bei Arbeitnehmern, die nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn beziehen, für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom Arbeitslohn aus dem zweiten und einem weiteren Dienstverhältnis sowie in den Fällen des § 39c.“
Seit dem Jahr 2010 können berufstätige Ehegatten alternativ zu den Lohnsteuerklassen das sogenannte Faktorverfahren nach § 39f EStG wählen
Welche Vorteile können Sie aus Ihrem Wissen über die Lohnsteuerklassen nach § 38b EStG ziehen?
Aufgrund der Steuerklassen werden bereits beim Lohnsteuerabzug bestimmte Freibeträge berücksichtigt:
Quelle: lohn-info.de
Wenn diese Freibeträge bereits beim monatlichen Steuerabzug berücksichtigt werden, dann führt das in den meisten Fällen dazu, dass die Steuerpflichtigen schon im Verlauf des Kalenderjahres über mehr Geld frei verfügen können, als wenn diese Freibeträge nicht berücksichtigt worden wären. Denn die Steuerabzüge sind dadurch geringer. Andernfalls würden sie die zuviel abgezogenen Steuern erst im Ergebnis des Steuerbescheids im folgenden Jahr zurückerhalten.
Insofern führt der Lohnsteuerabzug nicht zu einer Steuerersparnis, sondern bestenfalls zu einer Steuerstundung mit einem Liquiditätsvorteil.
Schließlich sparen Steuerpflichtige im günstigsten Fall durch den Lohnsteuerabzug sogar die Abgabe einer Steuererklärung, sofern das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist. Allerdings müssen dann auch die weiteren Voraussetzungen gemäß EStG § 46 erfüllt sein.
Was sollten Sie zu den Lohnsteuerklassen beachten, um keinen Schaden zu erleiden?
Die Lohnsteuerklassen gehören zu den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen, die bei der Entgeltabrechnung zu berücksichtigen sind. Sie werden auf Veranlassung des „Arbeitnehmers“ (EStG § 39) gebildet. Zwar fließen dabei auch Angaben der „Meldebehörden“ ein. Doch letztendlich ist jeder „Arbeitnehmer“ selbst verantwortlich, dass die richtigen Steuerklassen und anderen elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale für seine Entgeltabrechnung verfügbar sind. Wer sich nicht selbst kümmert, muss sich nicht wundern, wenn die Steuerabzüge dann – meist – zu hoch sind.
Auch die „Arbeitgeber“ können die Lohnsteuerklassen nicht von sich aus ändern. Sie melden lediglich das Arbeitsverhältnis als Haupt- oder Nebenarbeitsverhältnis an und bei Beendigung ab. Danach rufen sie die Lohnsteuerabzugsmerkmale nur im Rahmen des ELStAM-Verfahrens von den Finanzbehörden ab. Wurde das Arbeitsverhältnis als Hauptarbeitsverhältnis angemeldet, so wird ihnen die vom Arbeitnehmer gewählte Lohnsteuerklasse III/V oder IV/IV (bei verheirateten Arbeitnehmern und Lebenspartnerschaften) übermittelt. Bei Anmeldung als Nebenarbeitsverhältnis erfolgt die Übermittlung der Lohnsteuerklasse VI.
Die Steuerpflichtigen sollten also selbst darauf Einfluss nehmen, wie die Arbeitsverhältnisse angemeldet werden.
Nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, bleibt die Lohnsteuerklasse grundsätzlich auch für die Berechnung des Arbeitslosengeldes I erhalten. Näheres dazu siehe „Fachliche Weisungen Arbeitslosengeld. Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III § 153 SGB III Leistungsentgelt“ .
Für die Bildung und die Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale der unbeschränkt Steuerpflichtigen ist das Wohnsitzfinanzamt zuständig. Änderungen sind von den Steuerpflichtigen bei diesem zu beantragen.
Neu ab dem Veranlagungsjahr 2020
Auf der Grundlage des „Bürokratieentlastungsgesetzes III“ können Ehegatten die Steuerklassenkombination pro Kalenderjahr mehrfach wechseln (bis dahin nur „einmalig“ zulässig).
„Ändern sich die Voraussetzungen für die Steuerklasse oder für die Zahl der Kinderfreibeträge zu Gunsten des Arbeitnehmers, kann dieser beim Finanzamt die Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale beantragen. Die Änderung ist mit Wirkung von dem ersten Tag des Monats an vorzunehmen, in dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Ehegatten können im Laufe des Kalenderjahres beim Finanzamt die Änderung der Steuerklassen beantragen.“ (EStG § 39 Abs. 6)
Dabei gilt nur für den Wechsel in die Steuerklassenkombination III/V, dass beide Ehegatten diesen Kombination wünschen.
Neu ab 01.10.2021
Ab dem 01.10.2021 kann der Steuerklassenwechsel bequem von zu Hause aus beantragt werden. Dies ist besonders vorteilhaft, wenn Lohn/Gehalt oder sonstige Bezüge nach Beendigung des Dienstverhältnisses ausgezahlt werden.
Diesbezüglich heißt es im BMF-Schreiben vom „Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM); Lohnsteuerabzug im Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale 08.11.2018 IV C 5 – S 2363 /13/10003-02„:
„Zahlt der Arbeitgeber nach Beendigung des Dienstverhältnisses laufenden Arbeitslohn (R 39b.2 Absatz 1 LStR), sind der Besteuerung die ELStAM zum Ende des Lohnzahlungszeitraums zugrunde zu legen, für den die Nachzahlung erfolgt (R 39b.5 Absatz 1 Satz 3 LStR). Eine erneute Anmeldung des Arbeitnehmers bei der Finanzverwaltung ist insoweit nicht erforderlich.“ (ebd. Rz 60)
Für sonstige Bezüge (beispielsweise Abfindungen) gilt:
„Handelt es sich dagegen um sonstige Bezüge (R 39b.2 Absatz 2 LStR), sind für die Besteuerung die ELStAM zum Ende des Kalendermonats des Zuflusses des sonstigen Bezugs maßgebend (R 39b.6 Absatz 3 Satz 1 LStR). Der Arbeitgeber muss daher den Arbeitnehmer erneut bei der Finanzverwaltung anmelden. Dazu sollte er sich mit dem Arbeitnehmer abstimmen, ob die Anmeldung für die Arbeitslohnnachzahlung als Hauptarbeitsverhältnis (für Steuerklasse I bis V) oder als Nebenarbeitsverhältnis (für Steuerklasse VI) vorgenommen werden soll. Unterlässt der Arbeitgeber in diesem Fall die Anmeldung, obwohl ihm die hierzu erforderlichen Angaben des Arbeitnehmers vorliegen und der Anmeldung keine technischen Hinderungsgründe gemäß § 39c Absatz 1 Satz 2 EStG entgegenstehen, ist der Steuerabzug
nach der Steuerklasse VI vorzunehmen.“ (ebd. Rz 61)
NB: Weil es sein kann, dass der „Arbeitgeber“ die Anmeldung als Hauptarbeitsverhältnis „unterlässt“, „obwohl ihm die hierzu erforderlichen Angaben des Arbeitnehmers vorliegen“, sollten Betroffene unbedingt rechtzeitig mit dem „alten Arbeitgeber“ die Abrechnung der sonstigen Bezüge verhandeln!
Wie stark sich die Lohnsteuerklassen auf das monatlich ausgezahlte Entgelt auswirken, kann jeder leicht nachvollziehen, wenn der Steuerabzug mit einem Einkommensteuerrechner und mit einem Lohnsteuerrechner verglichen wird.
Wie denken andere über die Lohnsteuerklassen?
djb-Präsidentin Prof. Dr. Wersig: Von einer Abschaffung der Lohnsteuerklasse V „würden vor allem Frauen profitieren, die derzeit in Lohnsteuerklasse V einen Teil der Steuern ihrer Männer mittragen. Dies führt bei ohnehin schon geringerem Bruttoeinkommen zu unverhältnismäßig niedrigen Nettoeinkommen und Lohnersatzleistungen. Der Netto Pay Gap ist also noch größer als der Gender Pay Gap.“ („Die Abschaffung der Steuerklasse V allein genügt nicht. Das Ehegattensplitting / selbst muss reformiert werden!„)
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht Susanne Christ: „Grundsätzlich sollten, soweit möglich, Eheleute und eingetragene Lebenspartner die Steuerklasse IV wählen, wenn sie dadurch unterjährig über ausreichende Liquidität verfügen. Wollen sie die Vorteile des Splittingtarifs schon im Laufe des Jahres erhalten, sollten sie bei der Steuerklasse IV das Faktorverfahren anwenden. Anders ist es, wenn Lohnersatzleistungen erwartet werden…“
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht Susanne Christ: Änderungen bei den Lohnsteuerklassen…
Weiterführende Links zu Lohnsteuerklassen nach § 38b EStG
Die Lohnsteuerklassen sind nicht unumstritten: