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August 24, 2025

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – warum die Kritik der Arbeitgeber Arbeitnehmer alarmieren sollte

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist ein jahrzehntelang schwer erkämpftes Recht. In der alten Bundesrepublik wurde die einheitliche Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter und Angestellte erst mit dem „Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung“ erreicht, das ab 1970 galt.

82 Milliarden Euro – wer trägt die?

Eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) verweist auf unterschiedliche „Ursachen“ für die steigenden Kosten.

Daraus leitet die Autoren des IW ab:

„Um diesen Kostenfaktor zu begrenzen, werden deshalb unabhängig von der Krankenstandentwicklung unterschiedliche Vorschläge diskutiert: Im Raum stehen zum einen Karenztage. Die Gehaltszahlung würde zu Beginn einer Erkrankung für einige Tage ausgesetzt. Alternativ ließen sich Karenzzeiten definieren, in denen das Gehalt auf reduziertem Niveau gezahlt wird – ähnlich dem Krankengeld. Zum anderen ließe sich die Dauer der Entgeltfortzahlungsverpflichtung begrenzen. Dies gelänge zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber das Gehalt auch bei wechselnden Diagnosen insgesamt nicht länger als für sechs Wochen pro Jahr weiter zahlen muss.“

Im Handelsblatt vom 22. 08. 2025 wird diese Sicht etwas relativiert:

„Tatsächlich ist der hohe Krankenstand, der seit etwa zwei Jahrzehnten fast kontinuierlich gestiegen, im vergangenen Jahr aber leicht gesunken ist, eine Ursache für die wachsenden Arbeitgeberaufwendungen. Auf der anderen Seite ist ein Teil des Ausgabenanstiegs auch schlicht auf die gestiegene Beschäftigung zurückzuführen.“

Entgeltfortzahlung – ein Grundpfeiler sozialer Sicherheit

Die Pflicht der Unternehmer zur Krankenfürsorge ergibt sich grundsätzlich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 167. Ergänzend sichert das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) § 3 Beschäftigten sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diese Regelung schützt vor Einkommenseinbußen und damit vor existenzieller Unsicherheit. Für Beschäftigte mit Einkünften, die keine Rücklagen erlauben, ist die Lohnfortzahlung finanziell unverzichtbar. Fach- und Führungskräften mit hohen Fixkosten wie Immobilienkrediten oder Familienausgaben sichert die Lohnfortzahlung die Erhaltung des Lebensstandards.

Arbeitgeber fordern Entlastung – ein gefährliches Signal

Wenn Wirtschaftsverbände die Höhe der Kosten in den Vordergrund stellen, entsteht einerseits der Eindruck, Krankheit sei ein wirtschaftliches Risiko statt menschliches Schicksal. Forderungen nach Begrenzung oder staatlicher Mitfinanzierung öffnen die Tür für eine Aushöhlung des mühsam erkämpften Arbeitnehmerschutzes. Schon heute berichten Betriebsräte, dass in manchen Branchen Druck aufgebaut wird, Krankschreibungen zu verkürzen oder Fehlzeiten zu sanktionieren.

Die Perspektive der Betriebsräte

Betriebsräte erleben nicht selten, wie Unternehmen versuchen, Krankheitsquoten „betriebswirtschaftlich“ zu steuern – oft mit Nachteilen für die Beschäftigten. Für alle, die sich von den Interessen der Beschäftigten leiten lassen, ist klar:

  • Entgeltfortzahlung darf nicht zur Verhandlungsmasse im Kostendruck werden.

  • Sozialpartnerschaft heißt, Rechte zu wahren – nicht, sie abzubauen.

  • Gesundheitsschutz muss Vorrang vor kurzfristigen Sparzielen haben.

Gewerkschaften schlagen Alarm

Gewerkschaften warnen seit Langem: Wer an der Entgeltfortzahlung rüttelt, schwächt nicht nur das Vertrauen der Beschäftigten, sondern auch den sozialen Frieden. Sie sehen in den Milliardenkosten keine „Last“ für die Unternehmen, sondern eine Investition in Arbeitskraft, Gesundheit und Produktivität. Ohne den Schutz der Lohnfortzahlung steigt die Gefahr, dass Beschäftigte krank zur Arbeit kommen, weil sie sich Lohnausfälle nicht leisten können. Die Folge: höhere Belastung, längere Ausfälle und steigende Krankheitskosten.

Wer trägt wirklich die Kosten für die Krankheit?

Aus verständlichen Gründen werden aus „Arbeitgebersicht“ Krankheitskosten als Belastung für die Unternehmer dargestellt. Demgegenüber sprechen die Gewerkschaften von einer „Investition in Arbeitskraft“.

Keine der Seiten wagt sich jedoch, die ökonomischen Quellen zu analysieren. Was würde denn passieren, wenn die Entgeltfortzahlung eingeschränkt wird.

Kurzfristig würde es zu einer finanziellen Entlastung der Unternehmen kommen. Zuvor finanzschwache Beschäftigten wären dann auf mehr Sozialleistungen angewiesen, was die öffentlichen Haushalte noch stärker belasten würde. Finanzstärkere Beschäftigte müssten dann Kosten selbst tragen, die durch die wegfallende Entgeltfortzahlung entstehen. Zwischen beiden Beschäftigtengruppen und den Unternehmen würden sich früher oder später die Konflikte verschärfen, die Arbeitskämpfe um mehr Gehalt zunehmen – kurz: der Klassenkampf verschärfen.

Gelänge es den Beschäftigten jedoch nicht, ihre Arbeitskraft zu erhalten, würden früher oder später auch den Unternehmen die Fachkräfte fehlen, wie das aus anderen Gründen heute schon der Fall ist. Entgeltfortzahlung ist ökonomisch notwendig, um die Reroduktion der Arbeitskraft zu sichern. Aus welchem „Topf“ sie dann getragen wird – ob aus den „Lohnnebenkosten“ der „Arbeitgeber“, oder aus dem Einkommen der „Arbeitnehmer“ – ist dabei nebensächlich. Die Frage ist nur, ob die Einsparung auf „Arbeitgeberseite“ zusätzlichen Profit bringt, oder nicht.

Arbeitnehmer im Fokus: Was jetzt wichtig ist

Für Beschäftigte, insbesondere Fach- und Führungskräfte, bedeutet dieser erneute Vorstoß Debatte: Wachsam bleiben! Wer aktuell von Umstrukturierungen, Abfindungen oder Jobverlust betroffen ist, sollte prüfen:

  • Sind die Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Arbeitsvertrag korrekt umgesetzt?

  • Wie sind Krankheitszeiten im Falle einer Kündigung oder während der Kündigungsfrist abgesichert?

  • Gibt es betriebliche Zusatzvereinbarungen, die den gesetzlichen Mindestschutz unterschreiten?

Fazit: Entgeltfortzahlung – ökonomisch notwendig und soziales Grundrecht statt Kostenfaktor

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist kein Luxus, sondern ein sozialer Mindeststandard. Statt über die angeblich zu hohen Kosten zu klagen, sollten Unternehmen erkennen: Gesunde Beschäftigte sind ihr wichtigstes Kapital. Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften sind gut beraten, die aktuelle Debatte sehr kritisch zu verfolgen – und jedem Versuch, dieses Recht auszuhöhlen, entschieden entgegenzutreten.


👉 Tipp für Fach- und Führungskräfte: Wer aktuell über Abfindung, Vorruhestand oder berufliche Neuorientierung nachdenkt, sollte nicht nur auf die Höhe der Abfindung achten. Auch die Themen Krankheitsabsicherung, Lohnfortzahlung und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten gehören in die Gesamtstrategie. Genau hier können erfahrene Experten helfen, Steuern zu sparen und das frei werdende Kapital sinnvoll in Vermögen umzuwandeln.

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Thomas Schulze


Mit den Beiträgen will ich helfen, anhand ausgewählter Beiträge besser zu verstehen, "was die Welt im Innersten zusammenhält"

Ihr Thomas Schulze

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