Droht den bisher Beschäftigten der Verlust ihres Arbeitsplatzes, wenn ein Betrieb oder Teile davon verkauft werden, wenn Produktion oder Dienstleistungen ausgelagert oder an Fremdunternehmen vergeben werden?
Welche rechtlichen Grundlagen gibt es für Betriebsübergang?
Diese Frage nach den rechtlichen Folgen eines Inhaberwechsels beschäftigt meist nicht nur die Mitarbeiter des Unternehmens, sondern auch die Unternehmensführungen – und oft auch die Gerichte. Zu etwas mehr Klarheit sollte der bereits 1972 in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügte § 613a beitragen.
Wie steht das genau im Gesetz
§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden….
(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
- den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
- den Grund für den Übergang,
- die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
- die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.“
Welche Vorteile können Sie aus Ihrem Wissen über den Betriebsübergang ziehen?
Wer Vorteile aus seinem Wissen über den Betriebsübergang ziehen will, muss zunächst prüfen ob die folgenden Hauptkriterien für einen Betriebsübergang erfüllt sind:
Immer wenn die arbeitsrechtliche Organisation und Leitung an eine andere Person übergeht, liegt ein Betriebsübergang gem. § 613a mit entsprechenden Folgen nahe.
Zudem muss die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleiben, deren Inhaber wechselt. Nach Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sind dafür sieben Punkte zu prüfen:
- die Art des Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils,
- der Übergang der materiellen Vermögenswerte (Gebäude, bewegliche Güter),
- der Wert der immateriellen Vermögenswerte (Know how),
- die Übernahme der Hauptbelegschaft,
- der Übergang der Kundschaft, sowie auf
- die Ähnlichkeit der verrichteten Tätigkeit und
- die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit.
Schließlich muss der Betriebsübergang durch ein Rechtsgeschäft erfolgen, nicht beispielsweise durch bloße Erbschaft.
Was sollten Sie bei einem Betriebsübergang beachten, um keinen Schaden zu erleiden?
Der Bestandsschutz gilt für die bisherigen Arbeitsverhältnisse. Sie bleiben bestehen und unterliegen einem Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs. Allerdings können nach dem Betriebsübergang die Arbeitsverträge jederzeit einzelvertraglich im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden.
Wer sich auf den Absatz 6 berufen und dem Betriebsübergang widersprechen will, sollte beachten, dass Beendigungs- oder Änderungskündigungen aus anderen Gründen als dem Betriebsübergang – beispielsweise aufgrund der „Weg-Rationalisierung“ von Arbeitsplätzen grundsätzlich möglich ist.
Im Handbuch Arbeitsrecht von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche heißt es dazu erklärend und warnend:
„Erklärt der Arbeitnehmer rechtzeitig … seinen Widerspruch, so hat dies zur Folge, dass sein Arbeitsverhältnis mit dem ursprünglichen Arbeitgeber, d.h. dem Betriebsveräußerer fortbesteht…
Da der alte Arbeitgeber aufgrund der Betriebsveräußerung meist keine Möglichkeit mehr hat, den widersprechenden Arbeitnehmer zu beschäftiten, gefährdet ein Widerspruch meist den Bestand des Arbeitsverhältnisses, d.h. es droht eine – wirksame – betriebsbedingte Kündigung durch den alten Arbeitgeber.“
Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis aus tariflichen Gründen unkündbar ist oder dass ohnehin die Absicht besteht, sich eine neue Arbeit zu suchen, kann ein Widerspruch gegen den Betriebsübergang mit der „Gefahr der betriebsbedingten Kündigung“ jedoch lohnend sein, wenn eine Chance auf eine angemessene Abfindung besteht.
Wie denken andere über Betriebsübergang?
„Man fühlt sich halt immer alleine gelassen und man hat Angst.“
„Allerdings ist ja alles unsicher. Aber ich mache mir schon sorgen, was mit dem auslaufen des Outsourcing-Vertrages passiert oder wenn meine beiden älteren Kollegen aus dem Berufleben ausscheiden.“
„Sie können sich sicher vorstellen, dass Existenzängste entstehen, wenn bei einem Arbeitsvertrag eines Reduzierung des Gehalts um 37,5 % brutto angeboten wird und das war keine Verhandlungsbasis.“
Quelle für alle 3 Zitate: Isabelle Wrase, Mitarbeitermotivation im Outsourcing unter besonderer Berücksichtigung des Facility Managements, Gabler 2009, S. 152
Weiterführende Links zu Betriebsübergang
Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001
M. Hensche, HANDBUCH ARBEITSRECHT – Betriebsübergang
Man liest immer nur von Pflichten beim Betriebsübergang nach Paragraph 613a. Was ist mit Referenzen und der Vergabe von öffentlichen Aufträgen?
Ihre Frage verstehe ich leider nicht ganz. Abgesehen davon, dass § 613a überschrieben ist „Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang“ – also nicht nur Pflichten – geht es im Gesetz natürlich nur um einen gesetzlichen Mindeststandard. Dazu gehören weder Referenzen noch öffentliche Aufträge, weil diese in den Bereich unternehmerischer Freiheit und Vertragsfreiheit fallen.
Thomas Schulze