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August 6, 2023

Magdeburg und Atombombe auf Hiroshima

Was hat Magdeburg mit dem Abwurf der USA von zwei Atombomben auf Hiroshima vor 78 Jahren und Nagasaki zu tun? Gedenken und aktuelle Brisanz.

August 1945 – USA werfen erste und einzige Atombomben ab

Am 06. August 2023 wird Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris einen Ginkgobaum aus Japan am Askanischen Platz einweihen. An der jährlichen Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die nukleare Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki nimmt auch der Kulturattaché der japansichen Botschaft, Yasuhiro Kitaura, teil. Gingkobäume trieben als erste Pflanzen in der verstrahlten Umgebung der japanischen Städte wieder aus.

Deutsche Städte blieben von einem Atombombenabwurf der USA verschont, weil eine einsatzfähige Atombombe erst nach der bedingungslosen deutschen Kapitulation in der Nacht vom 08. zum 09. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst verfügbar war.

Doch auch die konventionellen anglo-amerikanischen Bombardements führten in vielen deutschen Städten zu zahlreichen Opfern und Zerstörungen. Der Luftangriff vom 16. Januar 1945 gilt als einer der verheerendsten Luftangriffe auf eine deutsche Stadt im Zweiten Weltkrieg.

Royal Air Force Bomber Command, 1942-1945. Magdeburg 1945, Royal Air Force Bomber Command, 1942-1945

An den Folgen der bei Atombombenabwürfen auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki leiden auch nach über 75 Jahren noch immer viele Überlebende (Hibakusha). Seit sieben Jahrzehnten leben sie mit körperlichen und seelischen Erkrankungen infolge der Strahlung.

Im Jahr 1982 rief der damalige Bürgermeister von Hiroshima, Takeshi Araki, auf der zweiten UN-Sondersitzung zur Abrüstung im UN-Hauptquartier in New York dazu auf, dass Städte in der ganzen Welt nationale Grenzen überschreiten und sich in Solidarität zusammenschließen sollten, um gemeinsam auf die Abschaffung von Atomwaffen hinzuwirken. Der Initiative schlossen sich nach Hiroshima und Nagasaki inzwischen über 8 000 Städte und 166 Regionen weltweit im Rahmen einer „Weltkonferenz der Bürgermeister für Frieden durch städteübergreifende Solidarität“ (heute: Mayors for Peace) an – darunter auch Magdeburg.

Chris Nolans Film „Oppenheimer“ über die Entwicklung der Atombombe

Am 11. Juli 2023 hatte Chris Nolans Film „Oppenheimer“ in Paris seine Weltpremiere. Neun Tage später gelangte er in die deutschen, und am Tag darauf in die US-amerikanischen Kinos.

J. Robert Oppenheimer gilt als „Vater der amerikanischen Atombombe“, denn als wissenschaftlicher Leiter des Manhattan-Projekts trug er entscheidend zur Entwicklung der ersten Atombombe bei.

Nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki verurteilte er angesichts der verheerenden Folgen den weiteren Einsatz dieses Massenvernichtungsmittels. Er setzte sich für die internationale Kontrolle der Kernenergie und gegen ein nukleares Wettrüsten zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten ein. Das brachte ihm währen der McCarthy-Ähra den Vorwurf eines Spions der Sowjetunion und Einschränkungen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ein.

Die Waffe und die Henker

Wie ein Messer ein nützliches, aber totes Werkzeug ist, so auch die Atombombe. Darauf verweist Scott Ritter in einem emotionalen Beitrag zu Nolans Film auf consortiumnews unter dem Titel „Die Klage des atomaren Henkers“. Der Film zeichne die Strapazen der Wissenschaftler nach, die die Atombombe erfanden. Kaum würden jedoch die Positionen der nuklearen Henker beleuchtet – jener Männer, die diese Bomben in Kriegszeiten abwarfen oder werfen sollen. Die B-29 mit der Atombombe auf Hiroshima steuerte Oberstleutnant Paul Tibbet:

„Für den Piloten und die Besatzung der Enola Gay gab es keine Gewissensbisse, weil sie so viele Menschen töteten. ‚Ich wusste, dass wir das Richtige getan haben, denn als ich wusste, dass wir das tun würden, dachte ich: Ja, wir werden viele Menschen töten, aber bei Gott, wir werden viele Leben retten‘, erzählte Tibbets 2002 Studs Terkel.“ (Link wie im Original)

Auch Major Charles Sweeney, der Pilot der B-29 „Bockscar“, der am 9. August 1945 die zweite amerikanische Atombombe auf die Stadt Nagasaki abwarf, war von seiner Rolle überzeugt, bei der sofort 35.000 Japaner getötet wurden.

„‚Ich sah diese wunderschönen jungen Männer, die von einer bösen, bösen Militärmacht abgeschlachtet wurden‘, erinnerte sich Sweeney 1995. ‚Es steht für mich außer Frage, dass Präsident Truman die richtige Entscheidung getroffen hat'“. (Link wie im Original)

Ritter resümiert: Während sich die Welt auf das Drama der Wissenschaftler konzentriert, die zwar die Waffe entwickelten jedoch ihren Einsatz gegen japanische Zivilisten ablehnten, schweigt sie über die Haltung der nuklearen Henker – also jener Männer, die die Bomben abwarfen und zeitlebens davon überzeugt blieben, das Richtige getan zu haben.

Was Scott Ritter resümiert, können Sie selbst beispielsweise anhand der Dokumente auf nuclearmuseum.org nachvollziehen.

Sein Schluss:

„Es ist an der Zeit, sich dafür einzusetzen, und es gibt keinen besseren Zeitpunkt als den 6. August 2023 – den 78. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, an dem sich Gleichgesinnte vor den Vereinten Nationen versammeln werden, um einen Dialog über Abrüstung zu beginnen, der hoffentlich genug Resonanz findet, um sich auf die Wahlen 2024 auszuwirken.“

Chris Nolans Film war auch für William J. Kinsella, emeritierter Professor für Kommunikation an der North Carolina State University, Anlass für einen weiteren Beitrag auf consortiumnews.

„Das Manhattan-Projekt brachte eine Dreifaltigkeit miteinander verbundener Hinterlassenschaften hervor. Es löste ein globales Wettrüsten aus, das das Überleben der Menschheit und des Planeten, wie wir ihn kennen, bedroht. Es führte auch zu weitreichenden Schäden für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt durch die Produktion und Tests von Atomwaffen. Und es entstand eine Kultur der Regierungsgeheimnis mit beunruhigenden politischen Folgen.“ (Link wie im Original)

Bereits die Forschung und Entwicklung der Atombomben im Rahmen des Manhatten-Projekts führte in den jeweiligen Standorten der USA zu dramatischen Folgen für Menschen und Umwelt. Beispielsweise wird in einer Studie, die sich noch in der wissenschaftliche Begutachtung befindet, nachgewiesen, dass die Folgen des Trinity-Atomtests zur Entwicklung der Nagasaki-Bombe 46 US-Bundesstaaten sowie Teile Kanadas und Mexikos erreichten.

Auch Kinsella unterstreicht, wie zwiespältig für viele Wissenschaftler die Arbeit an der Entwicklung der Atombombe war.

„Wie Nolans Film erzählt, hatten J. Robert Oppenheimer und viele andere Wissenschaftler des Manhattan-Projekts große Bedenken, dass ihre Arbeit beispiellose Gefahren mit sich bringen könnte. Wenn ich mir die Hinterlassenschaften des Trinity-Tests ansehe, frage ich mich, ob sich einer von ihnen das Ausmaß und die Tragweite dieser Ergebnisse vorgestellt hat.“ (Link wie im Original)

„Profiteure von Armageddon“

Den beiden Atombombenabwürfen der USA über Hiroshima und Nagasaki fielen mehr als 250 000 Menschen zum Opfer. Auch die Nukleartests in den nachfolgenden Jahrzehnten sollten hinreichend genug sein, um zu erkennen, wohin ein Atomkrieg führen würde. Doch in jüngster Zeit mehren sich leider die Zweifel daran. Gerade in Verbindung mit dem Krieg in der Ukraine gibt es zunehmend Spekulationen und Forderungen, inwiefern der Einsatz von Atomwaffen droht oder vielleicht sogar zu einer Beendigung des Krieges führen könnte.

William D. Hartung, Direktor des Programms für Rüstung und Sicherheit am Zentrum für Internationale Politik, verweist auf jüngste Forschungsergebnisse:

„In einem Bericht von Ira Helfand und den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkriegs aus dem Jahr 2022 wird geschätzt, dass ein ‚begrenzter‘ Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan, bei dem etwa 3 Prozent der weltweit über 12.000 Atomsprengköpfe eingesetzt würden, ‚Hunderte von Millionen, vielleicht sogar Milliarden‘ von uns töten würde.

Ein ausgewachsener Atomkrieg zwischen den Vereinigten Staaten und Russland, so die Studie, könnte innerhalb von zwei Jahren bis zu 5 (ja, 5!) Milliarden Menschen töten und damit das Leben, wie wir es kennen, auf diesem Planeten in einem ‚nuklearen Winter‚ beenden.

Offensichtlich begreifen allzu viele von uns nicht, was in einem Atomkonflikt auf dem Spiel steht, was zum Teil der ‚psychischen Betäubung‚ zu verdanken ist, einem Konzept, das Robert Jay Lifton, der zusammen mit Greg Mithchell das Buch Hiroshima in America: A History of Denial, neben vielen anderen Büchern. Lifton beschreibt die psychische Betäubung als ‚eine verringerte Fähigkeit oder Neigung zu fühlen‘, die durch ‚die völlig beispiellose Dimension dieser Revolution der technologischen Zerstörungskraft‘ hervorgerufen wird.“ (Links wie im Original)

Zudem belegt er, wie private Auftragnehmer an der Weiterentwicklung der Atomsprengkopfkomplexe und Trägermittel arbeiten und Milliarden Dollars verdienen, beispielsweise:

  • Raytheon
  • General Dynamics
  • Lockheed Martin
  • BWX Technologies
  • Jacobs Solutions
  • University of California
  • Texas A&M

„Der amerikanische Sprengkopfkomplex ist ein riesiges Unternehmen mit großen Anlagen in Kalifornien, Missouri, Nevada, New Mexico, South Carolina, Tennessee und Texas. Und atomar bewaffnete U-Boote, Bomber und Raketen  werden in Kalifornien, Connecticut, Georgia, Louisiana, North Dakota, Montana, Virginia, Washington State und Wyoming hergestellt oder stationiert.“ (Link wie im Original)

Diese Produzenten und ihre Lobbyisten setzen sich über alle Risiken hinweg, die mit der Entwicklung und dem Einsatz von Atomwaffen verbunden sind. Und sie setzen all ihre Macht ein, um auch künftig kräftig Geld zu verdienen, das aus den Taschen der Steuerzahler in die Säcke der Rüstungskonzerne umverteilt wird.

“Laut dem Nuklearexperten Stephen Schwartz, Autor von Atomic Audit, dem bahnbrechenden Werk über die Finanzierung der US-Atomwaffenprogramme, kostete das Manhattan-Projekt bis Ende 1945 fast 38 Milliarden Dollar in heutigen Dollars und trug dazu bei, ein Unternehmen ins Leben zu rufen, das die Steuerzahler seither fast unvorstellbare 12 Billionen Dollar für Atomwaffen und damit verbundene Programme gekostet hat.“ (Link wie im Original)

Sein Fazit:

„Wir müssen die Atomwaffen abschaffen, bevor sie uns abschaffen.“

Siehe auch:


Nachtrag vom 09.08.2023:

Nachtrag vom 12.08.2023:

Die Weltordnung nach Hiroshima

Nachtrag vom 07.09.2023:

Oppenheimer, Berkeley und die Bombe

Beitrag aktualisiert: 16.01.2024


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