War Flugsicherheit wirklich der Hintergrund für die Landung der Ryanair-Maschine in Minsk oder war es eine Falle um einen Blogger zu verhaften?
Flugsicherheit als Vorwand?
Aus Gründer der Flugsicherheit warnten am 23.05.2021 weißrussische Fluglotsen eine Ryanair-Maschine, die auf dem Weg von Athen nach Vilnius flog. In der Maschine reiste auch der Blogger Roman Protassewitsch. Er ist Mitbegründer und früherer Betreiber des oppositionellen Telegram-Kanals Nexta. Von diesem Kanal wurde unter anderem zum Sturz des amtierenden weißrussischen Präsidenten aufgerufen. Nachweislich war Protassewitsch auch im neonazistischen ukrainischen „Asow-Bataillon“ aktiv.
Nach der Landung verhafteten die weißrussischen Behörden den Blogger. Die meisten Mainstream-Medien und zahlreicher Politiker im Westen protestieren entschieden dagegen und verurteilen umgehend den Akt der „Luftpiraterie“. Umgehend wurden Sanktionen gegen Weißrussland verhängt.
Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings die Frage: Wer tappte hier möglicherweise in eine vorbereitete Falle? Denn:
„In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas geschieht, kann man sicher sein, dass es auch auf dieser Weise geplant war.“ (Franklin D. Roosevelt 1882 – 1945)
Verfassung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation – ICAO
Artikel 1:
„Die Vertragsstaaten erkennen an, dass jeder Staat im Luftraum über seinem Hoheitsgebiet die ausschließliche Souveränität besitzt“.
Präsident Lukaschenko verweist auf Flugsicherheit
Im Bericht der weißrussischen Präsidialverwaltung über die Rede des weißrussischen Präsidenten vom 26.05.2021 heißt es unter anderem hinsichtlich der Flugsicherheit und einer Gefahr in der Nähe eines weißrussichen Atomkraftwerks:
„Er kommentierte auch den Vorfall mit dem Flug Athen-Vilnius und verriet weitere Details. ‚Wie hätten wir handeln sollen, insbesondere vor dem Hintergrund einer Kaskade von Bombendrohungen gegen unsere Einrichtungen? Sie leben in Weißrussland, also wissen Sie: Jeden Tag gibt es Bombendrohungen gegen Schulen, Universitäten, Unternehmen und so weiter. Und Fluggeräte mit IP-Adressen aus Polen, Litauen und Lettland. In jedem Fall haben wir angemessen auf die erhaltenen Informationen reagiert‘, sagte Alexander Lukaschenko.
Der Präsident stellte fest, dass im Fall des Fluges Athen-Vilnius die Nachricht über die Bombendrohung aus dem Ausland – aus der Schweiz – kam. Außerdem kam die Nachricht gleichzeitig auf den Flughäfen von Athen, Vilnius und Minsk an. Die weißrussische Seite hat der Besatzung des Flugzeugs die Information in Übereinstimmung mit den internationalen Regeln sofort mitgeteilt.
‚Die Besatzung hatte Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Wir hatten 123 Passagiere aus verschiedenen Ländern und sechs Besatzungsmitglieder in der Luft. Unser Atomkraftwerk befindet sich im Bereich des Fluges. In seiner Nähe hat das Flugzeug umgedreht. Aber man stelle sich vor… Hat uns Tschernobyl nicht gereicht? Und wie würden die USA in einer solchen Situation reagieren, angesichts ihrer traurigen Erfahrung?'“
Funkverkehr Ryanair-Crew – weißrussische Fluglotsen
Das weißrussische Verkehrsministerium hat den kompletten Funkverkehr zwischen der Ryanair-Crew und den weißrussischen Fluglotsen von 09:28 Uhr bis 10:12 Uhr freigegeben. (Die nachfolgende Übersetzung nahm Thomas Röper vor.):
„Pilot. 09:31:17: Ok RYR 1TZ könnten Sie die Nachricht wiederholen?
ATC: RYR 1TZ, ich wiederhole, wir haben Informationen von Spezialdiensten, dass Sie eine Bombe an Bord haben. Diese Bombe kann über Vilnius aktiviert werden.
Pilot: Verstanden, Standby.
ATC: 09:31:42: RYR 1TZ aus Sicherheitsgründen empfehlen wir Ihnen, auf UMMS zu landen. (Anm.: UMMS ist der Flughafen Minsk)…ATC: 09:44:38: RYR 1TZ bitte um Mitteilung Ihrer Entscheidung?
Pilot: Radar ,RYR 1TZ
ATC:RYR 1TZ teilen Sie bitte Ihre Entscheidung mit.
Pilot; 09:44:52: Ich brauche eine Antwort auf die Frage, was der Code des (unverständlich) grün, gelb oder rot ist.
ATC: Standby.
ATC:09:45:09 RYR 1TZ sie sagen, der Code ist rot.
Pilot: Verstanden, in diesem Fall bitten wir um Halten der aktuellen Position.
ATC: RYR 1TZ Roger, halten Sie Ihre Position, halten Sie FL390 Kurs nach eigenem Ermessen…Pilot:09:47:12: RYR 1TZ wir deklarieren einen Notfall MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY RYR 1TZ. unsere Absichten wären, zum Flughafen Minsk umzuleiten.“
Warum entschied sich die Besatzung zur Landung in Minsk? Ging es um Flugsicherheit für die Passagiere oder…?
Geplante Aktion – Ryan-Air-Kapitän hat sich nicht auf eine Landung in Vilnius vorbereitet
Aus der Sicht eines erfahrenen Piloten kommentiert Peter Haisenko am 27.05.2021 einige wichtige Aspekte des Vorfalls.
Sein Fazit:
„Allein die Tatsache, wie schnell die Reaktionen aus Brüssel kamen, deutet darauf hin, dass man auf diesen Vorgang vorbereitet war. Es gibt weitere Indizien, dass dieser Coup geplant abgelaufen ist und der Kapitän der Ryan-Air eingeweiht, Teil der Aktion war. Es geht los damit, dass die Bombenwarnung beinahe punktgenau ausgerechnet über Weißrussland zugestellt worden ist. Von einer nicht identifizierten Quelle, scheinbar aus der Schweiz. Ungewöhnlich auch, wenn einer unidentifizierten Warnung das Etikett ‚red‘ angehängt wird, also sehr ernst zu nehmen, wie dem Funkverkehr zu entnehmen ist. Warum sage ich nur ‚beinahe‘ punktgenau? Sie kam zu spät. Ob das an schlechter Planung lag oder verzögerter Übermittlung durch die Minsker Kontrolle, weiß ich nicht.
Fakt ist nämlich, dass der Ryan-Air-Kapitän gar nicht auf eine Landung in Vilnius vorbereitet war. Er war zu hoch, hatte seinen Sinkflug auf Vilnius noch nicht eingeleitet … Die Ryan-Air war noch 90 Kilometer von Vilnius entfernt, als die Bombenmeldung kam und flog immer noch in Flugfläche 390, also etwa 13 Kilometer Höhe. Aus dieser Höhe sollte man den Sinkflug aber spätestens 150 Kilometer vor Erreichen des Zielflughafens beginnen. Die Ryan-Air hatte bis dahin noch nicht einmal um Freigabe für den Sinkflug angefragt.“
BBC – ähnliche Fälle die teilweise die Flugsicherheit gefährdeten
1956 Die Verhaftung der Führer der algerischen Unabhängigkeitsbewegung
Im Oktober 1956 wurde ein Flugzeug der Compagnie Chérifienne des Transports Ailes, einer staatlichen marokkanischen Gesellschaft, von den französischen Behörden über das Mittelmeer umgeleitet und zur Landung in Algier gezwungen.
„Am 22. Oktober 1956 befanden sich fünf Führer der algerischen Unabhängigkeitsbewegung, der FLN, auf einem zivilen Flug von Rabat in Marokko nach Tunis, berichtet Ahmed Rouaba von der BBC. Sie sollten an einer Konferenz über die Zukunft der Maghreb-Region teilnehmen, die vom damaligen tunesischen Präsidenten Habib Bourguiba ausgerichtet wurde.
Algerien war zu der Zeit eine französische Kolonie und der französische Geheimdienst schickte Kampfjets, um das Passagierflugzeug abzufangen und zwang es zur Landung in Algerien.
Die Ereignisse lösten Wut in Marokko und Tunesien aus.
Unter den fünf Verhafteten befand sich auch Ahmed Ben Bella, der nach der Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich der erste Präsident wurde.“
Siehe auch: en.yabiladi.com, 22.10.2018
1985: US-Jets fangen ein Flugzeug mit Schiffsentführern an Bord ab
„Im Oktober 1985 wurde ein ägyptisches Flugzeug mit mutmaßlichen palästinensischen Militanten an Bord von US-Kampfjets abgefangen und zur Landung auf einem US-Stützpunkt in Italien gezwungen.
Das italienische Kreuzfahrtschiff Achille Lauro war im Mittelmeer mit Hunderten von Menschen an Bord entführt worden, wobei ein älterer amerikanisch-jüdischer Passagier getötet wurde.“
05.01.2004 Privatflugzeug Andrei Wawilows wird in den USA auf dem Flughafen von Palm Beach zum Landen gezwungen
„Im Jahr 2004 wurde Wawilows [ehemaliger russischer Vize-Finanzminister, damals Mitglied des russischen Föderationsrates – T.S.] Privatflugzeug, das sich auf dem Weg von Moskau nach Barbados nach Aspen, Colorado, befand, auf Ersuchen des US-FBI in Palm Beach am Boden gehalten. Dort wurden Wawilow und seine Frau im hochkarätigen Fall des stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidenten Pawel Lazarenko verhört. Die US-Staatsanwaltschaft verurteilte Lazarenko wegen der Wäsche von 600 Millionen Dollar an US-Geldern, die von Gazprom gestohlen wurden. Eine der Signaturen, die zahlreiche Transaktionen auslösten, gehörte zu Wawilow.“
2010: Sunnitischer Kämpfer wird vom Iran verhaftet
„Abdolmalek Rigi, Chef der Jundullah, einer gewalttätigen sunnitischen Rebellengruppe, wurde im Februar 2010 vom Iran verhaftet. Die offizielle Nachrichtenagentur Irna berichtete später, er sei vor seiner Verhaftung über Pakistan in ein arabisches Land geflogen.
‚Seinem Flugzeug wurde befohlen zu landen und dann wurde er verhaftet, nachdem das Flugzeug durchsucht wurde‘, wurde der iranische Gesetzgeber Mohammed Dehgan von der Nachrichtenagentur AFP mit den Worten zitiert.“
31.05.2010 Flug Paris-Mexiko wird aus dem US-Luftraum gedrängt
„Abdirahman Ali Gaall wurde am Sonntag auf dem Pierre Elliott Trudeau International Airport in Montreal verhaftet, sagte Robert Gervais, ein Sprecher des Immigration and Refugee Board of Canada. Er wurde aufgrund eines ausstehenden Haftbefehls abgeführt und verhaftet.
Gervais sagte, dass die Details der Verhaftung bei Gaals Anhörung zur Haftprüfung am Mittwoch bekannt gegeben werden würden.
Die Canada Border Services Agency bestätigte am Montag, dass der Passagier auf einer US-Flugverbotsliste stand und sagte, der Mann sei ihnen bekannt.
Andere Passagiere des Aeromexico-Fluges 006 vom Flughafen Charles De Gaulle nach Mexiko-Stadt wurden erneut überprüft und durften den Flug fortsetzen, sagte Lauren Gaches, eine Sprecherin der U.S. Transportation Security Administration. Das Flugzeug kam in Mexiko-Stadt gegen 3:30 Uhr EDT (0730GMT) Montag.“
11.10.2012 Erzwungene Landung eines syrischen Flugzeugs, öffnet Riss zwischen der Türkei und Russland
„Der Riss zwischen Syrien und der Türkei vertieft sich, nachdem türkische Kampfflugzeuge ein Passagierflugzeug auf der Route Moskau Damaskus am Mittwoch zum Landen zwangen.
Nicht nur das, sondern es eröffnete auch einen neuen Konflikt mit Russland. Die New York Times berichtet, dass heute Moskau Antworten forderte für einen als ‚Luftpiraterie‘ zu nennenden Akt, und die Türkei sagte, sie hätte illegale Materialien an Bord gefunden.“
2013: Das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten landet in Wien
„Im Juli 2013 flog Evo Morales von einem Gipfeltreffen in Moskau zurück nach Bolivien, als sein Jet zum Flughafen Wien in Österreich umleiten musste, nachdem mehrere andere europäische Länder ihm offenbar die Erlaubnis verweigert hatten, in ihren Luftraum einzudringen.
Bolivien sagte, es sei eine ‚große Lüge‘ gewesen, dass der US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden – der sich zu diesem Zeitpunkt auf einem Moskauer Flughafen versteckt hielt – an Bord der Präsidentenmaschine war.
Frankreich entschuldigte sich später bei der bolivianischen Regierung für die ’späte Bestätigung der Erlaubnis‘, in den französischen Luftraum einzudringen, und gab ‚widersprüchlichen Informationen‘ die Schuld.“
Siehe auch: bbc.com 03.07.2021, bbc.com 03.07.2021
In dem Zusammenhang berichtete der SPIEGEL am 03.07.2013:
„Rein rechtlich sei das Vorgehen der europäischen Staaten einwandfrei gewesen, sagt Elmar Giemulla, Professor für Luftverkehrsrecht an der TU Berlin, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. ‚Jeder Staat hat die ausschließliche Souveränität über sein Staatsgebiet und den Luftraum. Er bestimmt allein, wer hinein darf und wer nicht.‘
Zur Landung zwingen dürfte ein Staat ein Flugzeug nur aus schwerwiegenden Gründen – wenn etwa der Verdacht besteht, dass die Maschine zur Spionage oder als Terrorwaffe missbraucht wird. Für eine Durchsuchung am Boden hingegen genügt zufolge laut Giemulla schon der Verdacht eines Verbrechens. Österreichs Sicherheitsbehörden hätten also die Maschine inspizieren dürfen. “
2014 Versuch Dimitri Rogosin zur Landung zu zwingen
Der Chef des russischen staatlichen Weltraumkonzerns Roskosmos Dmitri Rogosin war 2014 russischer Vize-Premierminister und Präsidialer Sonderbeauftragter für Transnistrien.
„Ich erinnere mich, wie 2014, nachdem ich von den USA, der EU, Kanada und Australien auf die Liste der persönlichen Sanktionen gesetzt wurde und ‚Shepilov sich ihnen anschloss‘ (im Sinne der Schweiz), die Behörden Rumäniens und des ‚ewig freundlichen‘ Bulgariens versuchten, unser Sonderflugzeug zur Landung auf ihren Flugplätzen zu zwingen, um ‚einen sanktionierten Politiker zu verhaften‘. Und wir flogen damals unter Umgehung – durch das Schwarze Meer und die Türkei nach Chisinau (ich war damals Sonderbeauftragter des russischen Präsidenten für Transnistrien), weil die Ukraine, Polen und Ungarn uns den Überflug in ihrem Luftraum auf einem direkteren Weg verboten.“
2016 Ukrainischer Geheimdienst erzwingt Landung einer Belavia-Maschine
Im Jahr 2016 veranlasste der ukrainische Geheimdienst SBU die Bodenkontrolle am Flughafen Kiew-Schuljany, eine gerade erst von dort gestartete Maschine der weißrussischen Fluggesellschaft Belavia vor der Grenze zu Weißrussland zurückzuholen. In der Maschine befand sich Armen Martirosjan – ein Aktivist der nach dem ukrainischen Putsch von 2014 nunmehr in der Ukraine „oppositionellen“ Antimaidan-Bewegung. Seine Ausreise sollte verhindert werden.
Niederschrift der Verhandlungen der Belavia-Besatzung mit dem Kontrollraum des Flughafens Zhulyany:
„‚Belavia-840‘, eine Anordnung ist eingegangen: Sie müssen unbedingt zum Ausgangsflughafen [Kiew-]Schuljany zurückkehren. Bei Nichtbefolgung wird die Luftwaffe zum Abfangen beordert.„
Der Dokumentation nach ist also die Besatzung während der Verhandlungen tatsächlich damit bedroht worden, dass Kampfjets aufsteigen würden, falls die Besatzung der Aufforderung, das Flugzeug zum Flughafen Zhulyany zurückzubringen, nicht nachkommen würde.
Interessant: In der Wikipedia-Liste von Flugzeugentführungen sind die obengenannten Fälle nicht dokumentiert – außer dem Minsker Fall. Wie das wohl kommt?