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Oktober 3, 2025

Putins Rede auf dem Valdai-Forum 2025

Wladimir Putin auf dem Valdai-Forum 2025 über Russlands Sicht auf die weltpolitische Lage und die Ziele der russischen Außenpolitik.

Wladimir Putin auf dem Valdai-Forum 2025

Valdai Diskussions Club

Der „Valdai Discussion Club“ gründete sich im Jahr 2004. Für die Namensgebung stand der Valdai-See in der Nähe von Veliky Novgorod Pate, wo das erste Treffen des Clubs stattfand.

Über 9.000 Akademiker, Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Russland und anderen Ländern beteiligten sich bisher an den Aktivitäten des Clubs. Ziel des Valdai-Clubs ist seit 2014,

„die globale Agenda zu gestalten und eine qualifizierte und objektive Bewertung globaler politischer und wirtschaftlicher Fragen zu liefern. Eines ihrer Hauptziele ist es, den Dialog zwischen der globalen intellektuellen Elite zu fördern, um Lösungen zu finden, die die Krisen des internationalen Systems überwinden.“

Der russische Präsident Wladimir Putin traf sich seit der Gründung des Clubs jedes Jahr mit den Teilnehmern der Treffen des Clubs.

Nachfolgend eine Übersetzung der Begrüßung des russischen Präsidenten durch Fjodor Lukjanow und die Grundsatzrede von Wladimir Putin:

Putins Grundsatzrede 2025

Beginn der Übersetzung:

Lukjanow: (Moderator): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde! Gäste des Valdai-Diskussionsclubs!

Wir beginnen die Plenarsitzung des 22. Jahresforums des Valdai International Discussion Club. Es ist mir eine große Ehre, Wladimir Wladimirowitsch Putin, den Präsidenten der Russischen Föderation, auf diese Bühne einladen zu dürfen.

Wladimir Wladimirowitsch, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, wieder bei uns zu sein. Der Valdai-Club hat das unglaubliche Privileg, seit 23 Jahren mit Ihnen zusammenzukommen und über die drängendsten Fragen zu sprechen. Das kann wohl niemand sonst von sich sagen, würde ich behaupten.

Das 22. Treffen des Valdai-Clubs, das in den letzten drei Tagen stattfand, trug den Titel „Die polyzentrische Welt: Eine Bedienungsanleitung“. Wir versuchen, vom Verständnis und der Beschreibung dieser neuen Welt zu einigen praktischen Aspekten überzugehen, nämlich zu verstehen, wie man in ihr lebt, da dies noch nicht ganz klar ist.

Wir mögen, sagen wir, Fortgeschrittene sein, aber wir sind nur Nutzer dieser Welt. Aber Sie sind zumindest ein Mechaniker, vielleicht sogar ein Ingenieur dieser sehr polyzentrischen Welt, daher erwarten wir gespannt Ihre Bedienungsanleitung.

Wladimir Putin: Eine Bedienungsanleitung kann ich wohl kaum formulieren und darum geht es auch nicht, denn um Anweisungen und Ratschläge wird nur gebeten und sie werden nur gegeben, um sie später nicht umzusetzen. Diese Formel ist allgemein bekannt.

Lassen Sie mich meine Meinung dazu äußern, was in der Welt passiert, wo unser Land liegt, welche Rolle es spielt und wie wir die Entwicklungsperspektiven sehen.

Der Internationale Diskussionsklub Valdai hat sich tatsächlich zum 22. Mal getroffen und solche Treffen sind nicht nur zu einer guten, geschätzten Tradition geworden. Die Diskussionen in den Valdai-Foren bieten die Möglichkeit, die Lage weltweit objektiv und umfassend zu bewerten, Veränderungen zu dokumentieren und zu verstehen.

Die besondere Stärke des Valdai-Klubs liegt zweifellos im Wunsch und der Fähigkeit seiner Mitglieder, über das Banale und Offensichtliche hinauszublicken. Sie folgen nicht der Agenda, die uns der globale Informationsraum aufzwingt, zumal das Internet seinen Beitrag leistet, im Guten wie im Schlechten, aber manchmal schwer verständlich, sondern versuchen, ihre eigenen, originellen Fragen zu stellen, ihre eigene Vision von Prozessen zu entwickeln und den Vorhang zu lüften, der die Zukunft verbirgt. Das ist nicht einfach, kommt aber vor, auch hier im Valdai Club.

Wir haben jedoch wiederholt festgestellt, dass wir in einer Zeit leben, in der sich alles verändert, und zwar sehr schnell, ich würde sagen, radikal. Natürlich kann niemand von uns die Zukunft vollständig vorhersehen. Das entbindet uns jedoch nicht von der Verantwortung, auf alles vorbereitet zu sein, was passieren kann. In der Praxis müssen wir, wie die Zeit und die jüngsten Ereignisse gezeigt haben, auf alles vorbereitet sein. In solchen historischen Phasen trägt jeder eine besonders große Verantwortung für sein eigenes Schicksal, für das Schicksal seines Landes und für die ganze Welt. Und die Einsätze sind extrem hoch.

Der Jahresbericht des Valdai Clubs widmet sich, wie gerade erwähnt, dieses Mal dem Problem der multipolaren, polyzentrischen Welt. Dieses Thema steht schon lange auf der Tagesordnung, verdient jetzt aber besondere Aufmerksamkeit, da stimme ich den Organisatoren zu. Die bestehende Multipolarität bestimmt bereits den Rahmen, in dem die Staaten agieren. Ich werde versuchen, die Frage zu beantworten, was an der heutigen Situation so besonders ist.

Erstens ist das der viel offenere, man könnte sogar sagen kreativere Raum für außenpolitisches Handeln. Nahezu nichts ist vorherbestimmt, alles kann unterschiedlich ablaufen. Viel hängt von der Präzision, Genauigkeit, Konsequenz und Überlegtheit des Handelns jedes einzelnen Teilnehmers an den internationalen Beziehungen ab. Zudem kann man sich in diesem riesigen Raum leicht verirren und die Orientierung verlieren, was, wie wir sehen, recht häufig vorkommt.

Zweitens ist der multipolare Raum sehr dynamisch. Veränderungen geschehen, wie ich bereits sagte, schnell und manchmal plötzlich, praktisch über Nacht. Natürlich ist es sehr schwer, sich vorzubereiten und manchmal ist es unmöglich, es vorherzusagen. Reagieren muss man sofort, wie man sagt, in Echtzeit.

Drittens, und das ist wichtig, ist dieser Raum viel demokratischer. Er eröffnet Chancen und Wege für eine Vielzahl politischer und wirtschaftlicher Akteure. Vielleicht noch nie zuvor haben so viele Länder auf der Weltbühne die wichtigsten regionalen und globalen Prozesse beeinflusst oder zu beeinflussen versucht.

Weiter: Die kulturellen, historischen und zivilisatorischen Besonderheiten der verschiedenen Länder spielen eine größere Rolle als je zuvor. Wir müssen nach Gemeinsamkeiten und gemeinsamen Interessen suchen. Niemand ist bereit, nach den Regeln eines Einzelnen, der irgendwo weit weg ist, zu spielen, wie ein berühmter russischer Sänger einst sang: „Dort, jenseits des Nebels“, oder dort, jenseits des Ozeans.

Fünftens sind Lösungen nur auf der Grundlage von Vereinbarungen möglich, die alle interessierten Parteien oder die überwiegende Mehrheit zufriedenstellen. Andernfalls wird es keine tragfähige Lösung geben, sondern nur leere Rhetorik und ein fruchtloses Spiel der Ambitionen. Daher erfordert das Erreichen von Ergebnissen Harmonie und Ausgewogenheit.

Schließlich sind die Chancen und Gefahren einer multipolaren Welt untrennbar miteinander verbunden. Natürlich sind die Schwächung der Diktate, die die vorherige Periode kennzeichneten, und die Erweiterung des Raums für Freiheit für alle zweifellos ein Segen. Gleichzeitig ist es unter diesen Bedingungen viel schwieriger, dieses dauerhafte Gleichgewicht zu finden und herzustellen, was an sich schon ein klares und extremes Risiko darstellt.

Diese globale Situation, die ich versucht habe, recht kurz zu beschreiben, ist ein qualitativ neues Phänomen. Die internationalen Beziehungen befinden sich in einem radikalen Wandel. Paradoxerweise ist Multipolarität eine direkte Folge der Versuche, globale Hegemonie zu etablieren und aufrechtzuerhalten, eine Reaktion des internationalen Systems und der Geschichte selbst auf den obsessiven Wunsch, alle in einer einzigen Hierarchie zu vereinen, mit den westlichen Ländern an der Spitze. Das Scheitern dieses Vorhabens war, wie wir übrigens immer betont haben, nur eine Frage der Zeit. Und nach historischen Maßstäben gesehen ist es sogar ziemlich schnell geschehen.

Vor 35 Jahren, als die Konfrontation des Kalten Krieges zu Ende zu gehen schien, hofften wir auf den Anbruch einer Ära echter Zusammenarbeit. Es schien, als gäbe es keine ideologischen oder sonstigen Hindernisse mehr, die gemeinsamen Probleme der Menschheit gemeinsam anzugehen und unvermeidliche Streitigkeiten und Konflikte auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und der Berücksichtigung aller Interessen zu regeln und zu lösen.

Lassen Sie mich hier einen kurzen historischen Exkurs machen. Unser Land, das die Grundlagen für Blockkonfrontationen beseitigen und einen gemeinsamen Sicherheitsraum schaffen wollte, erklärte sogar zweimal seine Bereitschaft, der NATO beizutreten. Das erste Mal 1954, noch zu Zeiten der UdSSR. Und das zweite Mal, das habe ich schon erzählt, während des Moskau-Besuchs von US-Präsident Clinton im Jahr 2000, als ich auch mit ihm über dieses Thema gesprochen habe.

Und beide Male sind wir von Anfang an auf grundsätzliche Ablehnung gestoßen. Ich wiederhole: Wir waren bereit, zusammenzuarbeiten und nicht-lineare Schritte im Bereich der Sicherheit und der globalen Stabilität zu unternehmen, doch unsere westlichen Kollegen waren nicht bereit, sich von den Fesseln geopolitischer und historischer Stereotypen, von einem vereinfachten, schematischen Weltbild zu befreien.

Ich habe das auch öffentlich erzählt, wie Herr Clinton, Präsident Clinton und ich uns unterhielten. Er sagte: „Wissen Sie, das ist interessant, ich halte es für möglich.“ Und dann sagte er am Abend: „Ich habe mich mit meinen Leuten beraten, es ist unrealistisch, es ist im Moment unrealistisch.“

Aber wann ist es realistisch? Das alles ist vorbei.

Kurz gesagt, wir alle hatten eine echte Chance auf eine andere, positive Richtung in der Entwicklung der internationalen Beziehungen. Doch leider setzte sich ein anderer Ansatz durch. Die westlichen Länder erlagen der Versuchung der absoluten Macht. Das ist eine ernste Versuchung. Um dieser Versuchung zu widerstehen, brauchte man eine historische Perspektive und ein gutes Maß an Vorbereitung, auch intellektuell und historisch. Denen, die damals die Entscheidungen trafen, fehlte es offenbar einfach an einer solchen Vorbereitung.

Ja, die Macht der USA und ihrer Verbündeten erreichte Ende des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Aber es gibt und wird nie eine Macht geben, die in der Lage ist, die Welt zu beherrschen und jedem vorzuschreiben, was er wie zu tun hat und was er denken soll. Es gab Versuche, aber sie sind alle gescheitert.

Gleichzeitig muss man anmerken, dass viele die sogenannte liberale Weltordnung akzeptabel, in mancher Hinsicht sogar praktisch fanden. Ja, die Hierarchie schränkt die Möglichkeiten derer ein, die nicht an der Spitze der Pyramide – sozusagen an der Spitze der Nahrungskette – stehen, sondern irgendwo ganz unten leben. Aber diese Position entbindet sie von einem erheblichen Teil der Verantwortung. Was sind die Regeln? Akzeptiere einfach die angebotenen Bedingungen, passe dich dem System an, hol dir deinen Anteil – und sei glücklich, mach dir um nichts Sorgen. Denken und entscheiden werden andere werden für dich.

Und egal, was sie sagen, egal, wer das jetzt zu verbergen versucht, so war es wirklich. Und die hier sitzenden Experten erinnern sich daran nur zu gut und verstehen das alles hervorragend.

Manche hielten sich selbstgefällig für berechtigt, allen anderen Lektionen zu erteilen. Andere zogen es vor, mit den Mächtigen mitzuspielen, ein gehorsames Verhandlungsobjekt zu sein, unnötige Probleme zu vermeiden und ihren, wie klein er auch sein mochte, sicheren Bonus zu erhalten. Übrigens gibt es im alten Teil der Welt – in Europa – noch immer viele solcher Politiker.

Diejenigen, die Einwände erhoben und versuchten, ihre Interessen, Rechte und Ansichten zu verteidigen, wurden, sagen wir es vorsichtig, bestenfalls als Sonderlinge betrachtet und man sagte ihnen: „Das funktioniert sowieso nicht, findet euch lieber damit ab und gebt zu, dass ihr gegen unsere Macht nichts seid, gar nichts.“

Und die wirklich Hartnäckigen wurden von den selbsternannten Weltmächten, die vor nichts mehr zurückschreckten, „bestraft“, um allen klarzumachen, dass Widerstand zwecklos war.

Das hat zu nichts Gutem geführt. Kein einziges globales Problem wurde gelöst, dafür kommen ständig neue hinzu. Die in der Vergangenheit geschaffenen Institutionen der globalen Ordnung funktionieren entweder überhaupt nicht oder haben stark an Wirksamkeit verloren, eins von beidem. Und wie viel Potenzial ein einzelnes Land oder eine Gruppe von Ländern auch angesammelt hat, jede Macht hat ihre Grenzen.

Auf russischer Seite gibt es, wie das Publikum weiß, ein beliebtes Sprichwort: „Gegen eine Brechstange gibt es keine Verteidigung außer einer anderen Brechstange.“ Und sie kommt immer wieder, verstehen Sie? Das ist die Essenz der Ereignisse in der Welt: Sie taucht immer wieder auf. Darüber hinaus führt der Versuch, alles und jeden um uns herum zu kontrollieren, zu Überforderung, die die innere Stabilität untergräbt und bei den Bürgern der Länder, die versuchen, diese „großen“ Rollen zu spielen, berechtigte Fragen aufwirft: Wozu das alles?

Vor einiger Zeit musste ich von unseren amerikanischen Kollegen etwas Ähnliches hören, die sagten: Wir haben die Welt gewonnen, aber Amerika selbst verloren.

Man möchte fragen: War es das wert? Und haben sie sie überhaupt gewonnen?

In den Gesellschaften führender westeuropäischer Länder ist eine klare Ablehnung der exorbitanten Ambitionen der politischen Eliten gereift und sie wächst. Meinungsumfragen zeigen das überall. Das Establishment ist nicht bereit, die Macht abzugeben, greift zu offener Täuschung der eigenen Bürger, eskaliert die Situation nach außen und greift im eigenen Land zu allen möglichen Tricks – zunehmend am Rande, wenn nicht jenseits des Gesetzes.

Aber demokratische Verfahren und Wahlen endlos zur Farce zu machen und den Willen des Volkes zu manipulieren, wird nicht funktionieren. Wie zum Beispiel in Rumänien, wir wollen nicht ins Detail gehen. Das passiert in vielen Ländern. In einigen Ländern versucht man, die politischen Gegner, die bereits an Legitimität und Wählervertrauen gewinnen, zu verbieten. Wir wissen das, das haben wir in der Sowjetunion durchgemacht. Erinnern Sie sich an Wyssozkis Lied: „Sogar die Militärparade wurde abgesagt! Bald werden sie, zur Hölle nochmal, alle verbieten!“

Aber das funktioniert nicht, Verbote funktionieren nicht.

Der Wille des Volkes, der Wille der Bürger dieser Länder, ist einfach: Die Staats- und Regierungschefs dieser Länder sollen sich um die Probleme ihrer Bürger kümmern, für ihre Sicherheit und Lebensqualität sorgen und nicht Hirngespinsten nachjagen. Die USA, wo der öffentliche Wunsch zu einem ziemlich radikalen politischen Kurswechsel geführt hat, sind ein klares Beispiel dafür. Und für die anderen Länder lässt sich sagen, dass Beispiele bekanntlich ansteckend wirken.

Die Unterordnung der Mehrheit unter die Minderheit, die die internationalen Beziehungen während der Zeit westlicher Dominanz kennzeichnete, weicht einem multilateralen, kooperativeren Ansatz. Dieser basiert auf Vereinbarungen zwischen den führenden Akteuren und der Berücksichtigung der Interessen aller. Das garantiert natürlich keine Harmonie und absolute Freiheit von Konflikten. Die Interessen der Länder stimmen nie vollständig überein, und die gesamte Geschichte der internationalen Beziehungen ist zweifellos ein Kampf um ihre Verwirklichung.

Doch die prinzipiell neue weltweite Atmosphäre, deren Ton zunehmend von den Ländern der globalen Mehrheit bestimmt wird, gibt Anlass zur Hoffnung, dass alle Akteure bei der Entwicklung von Lösungen für regionale und globale Probleme auf die eine oder andere Weise die Interessen der anderen berücksichtigen müssen. Schließlich kann niemand seine Ziele grundsätzlich allein, isoliert von anderen, erreichen. Die Welt bleibt trotz der Eskalation von Konflikten, der Krise des bisherigen Modells der Globalisierungs und der Fragmentierung der Weltwirtschaft integral, vernetzt und voneinander abhängig.

Wir wissen das aus eigener Erfahrung. Sie wissen, wie viel Aufwand unsere Gegner in den letzten Jahren betrieben haben, um Russland, grob gesagt, aus dem globalen System zu drängen und uns in politische, kulturelle und informationelle Isolation und wirtschaftliche Autarkie zu treiben. Was die Anzahl und das Ausmaß der gegen uns verhängten Strafmaßnahmen angeht, die sie schändlicherweise Sanktionen nennen, ist Russland der absolute Rekordhalter der Weltgeschichte: 30.000, vielleicht sogar mehr, Beschränkungen aller Art.

Na und? Haben sie ihr Ziel erreicht? Ich denke, den hier Anwesenden muss man nicht erklären, dass diese Bemühungen vollkommen gescheitert sind. Russland hat der Welt ein Höchstmaß an Widerstandsfähigkeit bewiesen, die Fähigkeit, dem stärksten äußeren Druck standzuhalten, an dem nicht nur ein einzelnes Land, sondern eine ganze Koalition von Staaten hätte zerbrechen können. Und in dieser Hinsicht empfinden wir natürlich einen berechtigten Stolz – Stolz auf Russland, auf unsere Bürger und auf unsere Streitkräfte.

Aber ich möchte nicht nur das sagen. Es zeigte sich, dass das globale System, aus dem sie uns ausschließen wollten, sich weigert, Russland gehen zu lassen. Weil Russland als wichtiger Teil des Gesamtgleichgewichts benötigt wird. Und das nicht nur wegen seines Territoriums, seiner Bevölkerung, seines Verteidigungs-, Technologie- und Industriepotenzials oder seiner Bodenschätze, obwohl natürlich alles, was ich gerade aufgezählt habe, sehr, sehr wichtig ist.

Aber vor allem, weil ein globales Gleichgewicht ohne Russland nicht aufgebaut werden kann: weder ein wirtschaftliches, noch ein strategisches, noch ein kulturelles, noch ein logistisches – gar keins. Ich denke, diejenigen, die versucht haben, all dies zu zerstören, haben das genau erkannt. Einige jedoch hoffen hartnäckig, ihr Ziel zu erreichen, und Russland, wie sie sagen, eine strategische Niederlage zuzufügen.

Nun, wenn sie das Verhängnis dieses Plans nicht erkennen und darauf beharren, hoffe ich immer noch, dass das Leben es ihnen zeigen wird, und dass das selbst bei den Stursten und Begriffsstutzigsten ankommen wird. Sie haben immer wieder viel Lärm gemacht, mit einer vollständigen Blockade gedroht und versucht, das russische Volk – wie sie selbst es formulierten – leiden zu lassen, indem sie Pläne schmiedeten, einer fantastischer als der andere. Ich denke, es ist Zeit, sich zu beruhigen, Bilanz zu ziehen, die Realität zu verstehen und die Beziehungen irgendwie in eine völlig andere Richtung zu lenken.

Wir wissen auch, dass eine polyzentrische Welt sehr dynamisch ist. Sie wirkt zerbrechlich und instabil, weil es unmöglich ist, einen Zustand dauerhaft zu fixieren oder ein Kräfteverhältnis langfristig zu bestimmen. Schließlich sind viele Akteure an den Prozessen beteiligt, und diese Kräfte sind asymmetrisch und komplex zusammengesetzt. Jede hat ihre eigenen Vorteile und Wettbewerbsvorteile, die jeweils eine einzigartige Kombination und Zusammensetzung ergeben.

Die heutige Welt ist ein äußerst komplexes, vielschichtiges System. Und um es richtig zu beschreiben und zu verstehen, reichen einfache logische Gesetze, Ursache-Wirkungs-Beziehungen und die daraus resultierenden Muster nicht aus. Was wir hier brauchen, ist eine Philosophie der Komplexität, ähnlich der Quantenmechanik, die in mancher Hinsicht weiser und schwieriger ist als die klassische Physik.

Allerdings führt gerade diese globale Komplexität meiner Meinung nach jedoch dazu, dass die allgemeine Verhandlungsfähigkeit zunimmt. Schließlich sind lineare, einseitige Lösungen unmöglich, während nichtlineare und multilaterale Lösungen eine sehr ernsthafte, professionelle, unvoreingenommene, kreative und manchmal auch unkonventionelle Diplomatie erfordern.

Darum bin ich sicher, dass wir eine Art Renaissance erleben werden, eine Wiederbelebung der Kunst der Diplomatie. Ihr Wesen liegt in der Fähigkeit, Dialog zu führen und mit Nachbarn, gleichgesinnten Partnern und – nicht weniger wichtig, aber schwieriger – mit Gegnern zu verhandeln.

In diesem Geist, dem Geist der Diplomatie des 21. Jahrhunderts, entwickeln sich neue Institutionen. Dazu gehören die wachsende Gemeinschaft der BRICS, Organisationen der größten Regionen wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und eurasische Organisationen sowie kleinere, aber nicht weniger wichtige regionale Verbände. Viele von ihnen entstehen gerade weltweit, ich werde sie nicht alle aufzählen.

All diese neuen Strukturen sind unterschiedlich, aber sie haben eine entscheidende Gemeinsamkeit: Sie funktionieren nicht nach dem Prinzip der Hierarchie, der Unterordnung unter eine einzige, höchste Autorität. Sie sind nicht gegen jemanden, sondern für sich selbst. Ich wiederhole nochmal: Die moderne Welt braucht Vereinbarungen, nicht die Durchsetzung des Willens anderer. Hegemonie, egal welcher Art, kann und wird mit dem Ausmaß der Herausforderungen einfach nicht fertig werden.

Die Gewährleistung der internationalen Sicherheit ist unter diesen Bedingungen ein äußerst dringliches und komplexes Thema. Die wachsende Zahl von Akteuren mit unterschiedlichen Zielen und politischen Kulturen, jeder mit seinen eigenen, unverwechselbaren Traditionen, all diese globale Komplexität macht die Entwicklung von Sicherheitskonzepten zu einer deutlich komplexeren und anspruchsvolleren Aufgabe. Sie eröffnet uns allen aber auch neue Chancen.

Blockbasierte Ansätze, die bewusst auf Konfrontation ausgerichtet sind, sind heute zweifellos ein Anachronismus, der keinen Sinn hat. Wir sehen zum Beispiel, wie eifrig unsere europäischen Nachbarn versuchen, die Risse zu flicken und zu reparieren, vor allem im europäischen Gebäude. Doch sie wollen die Spaltungen überwinden und die erschütterte Einheit, mit der sie einst prahlten, stärken, nicht durch die wirksame Bewältigung innenpolitischer Probleme, sondern durch das Aufblasen von Feindbildern. Das ist ein altes Beispiel, aber der Punkt ist, dass die Menschen in diesen Ländern das alles sehen und verstehen. Deshalb gehen sie, trotz der wachsenden Spannungen und der, wie ich bereits sagte, Suche nach diesem Feind, auf die Straße.

Dabei erschaffen sie einen altbekannten Feind, einen, den sie sich vor Jahrhunderten ausgedacht haben: Russland. Die Mehrheit der Menschen in Europa kann nicht verstehen, warum sie so große Angst vor Russland haben sollen, dass sie für den Kampf gegen es den Gürtel immer enger schnallen, ihre eigenen Interessen vergessen, sie einfach preisgeben und eine Politik verfolgen müssen, die eindeutig ihren eigenen Interessen schadet. Doch die herrschenden Eliten des vereinten Europas schüren weiterhin Hysterie. Es stellt sich heraus, dass der Krieg mit den Russen praktisch vor der Tür steht. Sie wiederholen diesen Unsinn, dieses Mantra, ein ums andere Mal.

Ich sage es Ihnen ehrlich, wenn ich mir manchmal anschaue, was die da sagen, denke ich: Aber das können die doch gar nicht glauben. Die können doch nicht glauben, was sie sagen, dass Russland einen Angriff auf die NATO plant. Das zu glauben, ist unmöglich. Und trotzdem sagen sie es ihren eigenen Völkern. Was sind das also für Leute? Sie sind entweder unglaublich inkompetent, wenn sie es wirklich glauben, weil es unmöglich ist, diesen Unsinn zu glauben, oder sie sind einfach unanständig, weil sie es selbst nicht glauben und versuchen, ihre Bürger davon zu überzeugen. Welche anderen Möglichkeiten gibt es denn?

Ehrlich gesagt, möchte man ihnen sagen: Beruhigt euch, schlaft ruhig und kümmert euch endlich um eure eigenen Probleme. Schaut euch an, was auf den Straßen europäischer Städte passiert, was mit der Wirtschaft, der Industrie, der europäischen Kultur und Identität passiert, die enormen Schulden und die wachsende Krise der Sozialsysteme, die außer Kontrolle geratene Migration, die Zunahme von Gewalt, auch politischer Gewalt, die Radikalisierung linker, ultraliberaler und rassistischer Randgruppen.

Beachten Sie, wie Europa im globalen Wettbewerb an den Rand rutscht. Wir wissen genau, wie weit hergeholt all die Drohungen bezüglich Russlands aggressiver Pläne sind, mit denen sich Europa, wie ich gerade sagte, selbst Angst macht. Aber Selbsttäuschung ist gefährlich. Und wir können das Geschehen einfach nicht ignorieren, wir haben kein Recht dazu, schon aus Gründen unserer eigenen Sicherheit, ich wiederhole, unserer Verteidigung und Sicherheit.

Deshalb beobachten wir die eskalierende Militarisierung Europas aufmerksam. Sind das nur leere Worte, oder ist es Zeit für uns, Gegenmaßnahmen zu ergreifen? Wir hören – und das wissen Sie – beispielsweise aus Deutschland, dass die deutsche Armee wieder die stärkste in Europa sein soll. Nun, wir hören aufmerksam zu, schauen und verstehen, was gemeint ist.

Ich denke, niemand zweifelt daran, dass Russlands Gegenmaßnahmen nicht lange auf sich warten lassen werden. Die Antwort auf diese Bedrohungen wird, gelinde gesagt, sehr überzeugend sein. Die Antwort. Wir selbst haben nie eine militärische Konfrontation begonnen. Sie ist sinnlos, unnötig und schlicht absurd, sie lenkt von den wahren Problemen und Herausforderungen ab. Und früher oder später werden Gesellschaften ihre Staatsführer dafür zur Rechenschaft ziehen, dass ihre Hoffnungen, Bestrebungen und Bedürfnisse von diesen Eliten in ihren Ländern ignoriert werden.

Aber wenn irgendwer sich dennoch militärisch mit uns anlegen möchte, dann soll er es versuchen. Russland hat immer wieder bewiesen: Wenn unsere Sicherheit, der Frieden und die Ruhe unserer Bürger, unsere Souveränität und unsere Staatlichkeit bedroht sind, antworten wir schnell.

Das sollte man nicht provozieren. Es gab noch nie einen Fall, in dem dies nicht letztlich schlecht für den Provokateur augegangen wäre. Ausnahmen sollte man auch in der Zukunft nicht erwarten: Es wird keine geben.

Unsere Geschichte hat bewiesen: Schwäche ist inakzeptabel, denn sie weckt die Versuchung, die Illusion, dass sich manche Probleme mit uns mit Gewalt lösen lassen. Russland wird niemals Schwäche oder Unentschlossenheit zeigen. Daran sollen sich diejenigen erinnern, die sich am Faktor unserer bloßen Existenz stören. Diejenigen, die davon träumen, uns genau diese strategische Niederlage zuzufügen. Übrigens sind die, die das aktiv erklärt haben, nicht mehr da. Wo sind diese Persönlichkeiten?

In der Welt ist so viele objektive Probleme im Zusammenhang mit natürlichen, vom Menschen verursachten und gesellschaftlichen Faktoren, dass es inakzeptabel, verschwenderisch und schlichtweg dumm ist, Energie und Mühe auf künstliche, oft konstruierte Widersprüche zu verschwenden.

Die internationale Sicherheit ist heute ein so vielschichtiges und unteilbares Phänomen, dass keine geopolitische Trennung nach Werten es auflösen kann. Nur durch sorgfältige, umfassende Arbeit, die unterschiedliche Partner einbezieht und auf kreativen Ansätzen beruht, können die komplexen Sicherheitsgleichungen des 21. Jahrhunderts gelöst werden. Es gibt keine mehr oder weniger wichtigen Elemente, keine besonders wichtigen – alles kann nur im Ganzen gelöst werden.

Unser Land hat das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit stets verteidigt und verteidigt es weiterhin. Ich habe wiederholt erklärt: Die Sicherheit der einen kann nicht auf Kosten anderer gewährleistet werden. Andernfalls gibt es überhaupt keine Sicherheit, keine Sicherheit für irgendwen. Dieses Prinzip hat sich nicht durchgesetzt. Die Euphorie und der ungezügelte Machthunger derer, die sich nach dem Kalten Krieg als Sieger fühlten, führten, wie ich wiederholt betont habe, zu dem Wunsch, allen einseitige, subjektive Vorstellungen von Sicherheit aufzuzwingen.

Tatsächlich wurde genau das zur wahren Ursache nicht nur des Ukraine-Konflikts, sondern auch vieler anderer akuter Konflikte des 20. und des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts. Im Ergebnis fühlt sich, wie wir gewarnt haben, heute niemand mehr sicher. Es ist an der Zeit, zu den Wurzeln zurückzukehren und die gemachten Fehler zu korrigieren.

Doch die Unteilbarkeit der Sicherheit ist heute im Vergleich zu den späten 1980er und frühen 1990er Jahren ein noch komplexeres Phänomen. Es geht nicht mehr nur um militär-politisches Gleichgewicht und die Berücksichtigung gegenseitiger Interessen. Die Sicherheit der Menschheit hängt von ihrer Fähigkeit ab, auf die Herausforderungen zu reagieren, die sich aus Naturkatastrophen, vom Menschen verursachten Katastrophen, technologischer Entwicklung und neuen, rasanten sozialen, demografischen und informationellen Prozessen ergeben.

All dies ist miteinander verbunden und Veränderungen geschehen weitgehend spontan, oft, wie ich bereits sagte, unvorhersehbar gemäß ihrer eigenen inneren Logik und Gesetzmäßigkeiten und manchmal sogar, erlaube ich mir zu sagen, gegen den Willen und die Erwartungen der Leute.

Die Menschheit läuft Gefahr, in einer solchen Situation überflüssig und nur noch zu Beobachtern von Prozessen zu werden, die sie nicht mehr kontrollieren kann. Was ist das anderes als eine systemische Herausforderung für uns alle und eine Chance für uns alle, konstruktiv zusammenzuarbeiten?

Es gibt hier keine fertigen Antworten, aber ich glaube, um die globalen Probleme zu lösen, nuss man sie ohne ideologische Vorurteile angehen, ohne das didaktische Pathos des „Ich erkläre euch jetzt alles.“ Zweitens ist es wichtig zu erkennen, dass dies ein wahrhaft gemeinsames, unteilbares Unterfangen ist, das die gemeinsamen Anstrengungen aller Länder und Völker erfordert.

Jede Kultur und Zivilisation muss ihren Beitrag leisten, denn, ich wiederhole, dass niemand allein die richtige Antwort kennt. Sie kann nur durch eine gemeinsame, konstruktive Suche, eine Vereinigung, nicht eine Trennung, der Bemühungen und nationalen Erfahrungen verschiedener Staaten entstehen.

Ich wiederhole nochmal: Konflikte und Interessenkonflikte gab es schon immer und wird es immer geben. Die Frage ist, wie sie gelöst werden können. Die multipolare Welt ist, wie ich heute sagte, die Rückkehr zur klassischen Diplomatie, in der Lösungen Aufmerksamkeit und gegenseitigen Respekt erfordern, nicht Zwang.

Die klassische Diplomatie war in der Lage, in internationalen Angelegenheiten die Positionen verschiedener Akteure zu berücksichtigen, die Komplexität eines „Konzerts“ verschiedener Mächte. Doch im Laufe der Zeit wurde sie durch die westliche Diplomatie des Monologs, der endlosen Vorträge und Befehle ersetzt. Anstatt Konflikte zu lösen, wurden Einzelinteressen durchgesetzt, während die Interessen aller anderen als unwürdig erachtet wurden.

Muss man sich da wundern, dass Konflikte statt sie zu lösen nur verschärft und bis hin zu blutigen bewaffneten Konflikten und humanitären Katastrophen eskaliert sind? Dieses Vorgehen löst kein einziges Problem. Aus den letzten 30 Jahren gibt es unzählige Beispiele.

Eines der Beispiele ist der palästinensisch-israelische Konflikt, der nach den Rezepten der westlichen unilateralen Diplomatie, die die Geschichte, Traditionen, Identität und Kultur der dort lebenden Völker eklatant ignoriert, nicht gelöst werden konnte. Die Lage im Nahen Osten hingegen verschlechtert sich rapide und es gelingt nicht, sie zu stabilisieren. Wir erfahren jetzt mehr über die Initiativen von Präsident Trump. Ich glaube, es könnte doch noch Licht am Ende des Tunnels geben.

Ein schreckliches Beispiel ist die ukrainische Tragödie. Sie ist schmerzhaft für Ukrainer und Russen, für uns alle. Die Ursachen des Ukraine-Konflikts sind jedem bekannt, der sich die Mühe gemacht hat, sich für die Hintergründe seiner aktuellen, akutesten Phase zu interessieren. Ich werde es nicht wiederholen, ich bin sicher, die in diesem Raum Anwesenden kennen sie gut, und sie kennen meine Position zu diesem Thema, ich habe sie schon oft formuliert.

Und noch etwas ist bekannt. Denen, die die Ukraine ermutigt, angestachelt und bewaffnet, sie gegen Russland aufgehetzt und dort jahrzehntelang fanatischen Nationalismus und Neonazismus gefördert haben, sind nicht nur die russischen Interessen, sondern auch die wahren ukrainischen Interessen, die Interessen der Bevölkerung dieses Landes, entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, völlig wurscht. Sie haben kein Mitleid mit diesen Menschen, für sie, für die Globalisten, Expansionisten im Westen und ihre Lakaien in Kiew, sind sie Verbrauchsmaterial. Die Folgen dieses rücksichtslosen Abenteuertums sind offensichtlich, darüber muss man nicht reden.

Man kann sich eine andere Frage stellen: Hätte es anders kommen können?

Auch das wissen wir. Ich komme auf das zurück, was Präsident Trump sagte. Er sagte, wenn er an der Macht gewesen wäre, hätte man das vemeiden können. Dem stimme ich zu. Tatsächlich hätte das vermieden werden können, wenn unsere Zusammenarbeit mit der damaligen Biden-Administration anders aufgebaut gewesen wäre. Wenn die Ukraine nicht zu einem destruktiven Instrument in den Händen anderer gemacht worden wäre, wenn der auf unsere Grenzen zusteuernde Nordatlantikblock nicht zu diesem Zweck missbraucht worden wäre. Wenn die Ukraine letztlich ihre Unabhängigkeit, ihre wahre Souveränität bewahrt hätte.

Und noch eine Frage: Wie hätte man die bilateralen russisch-ukrainischen Probleme, die eine objektive Folge des Zusammenbruchs eines riesigen Landes und komplexer geopolitischer Transformationen waren, lösen können?

Ich glaube übrigens, dass der Zerfall der Sowjetunion mit der Haltung der damaligen russischen Führung zusammenhing, jede ideologische Konfrontation zu vermeiden, in der Hoffnung, dass nun, nach dem Ende des Kommunismus, eine „Verbrüderung“ einsetzen würde. Nein, nichts dergleichen. Es zeigte sich, dass hier andere Faktoren im Spiel sind: geopolitische Interessen – und es zeigte sich, dass ideologische Widersprüche damit nichts zu tun haben.

Wie kann man sie in einer polyzentrischen Welt lösen? Und hätte man die Situation in der Ukraine gelöst? Ich glaube, dass bei einer Multipolarität die verschiedenen Pole die Situation rund um den Ukraine-Konflikt sozusagen auf ihre eigene Art und Weise „getestet“ und die potenziellen Spannungen und Bruchlinien in ihren jeweiligen Regionen angesprochen hätten. Dann wäre die kollekive Lösung deutlich verantwortungsvoller und ausgewogener gewesen.

Die Lösung würde auf dem Verständnis basieren, dass alle Beteiligten in dieser komplexen Situation ihre eigenen Interessen haben. Diese Interessen sind durch objektive und subjektive Umstände gerechtfertigt und darf man nicht ignorieren. Der Wunsch aller Länder nach Sicherheit und Entwicklung ist legitim. Das gilt selbstverständlich auch für die Ukraine, Russland und alle unsere Nachbarn. Die Staaten der Region sollten bei der Schaffung eines regionalen Systems das letzte Wort haben. Und sie hätten die größte Chance, sich auf ein für alle akzeptables Modell der Zusammenarbeit zu einigen, da es sie direkt betrifft. Es liegt in ihrem vitalen Interesse.

Für andere Länder ist diese Situation, in diesem Fall in der Ukraine, eine Karte in einem anderen, viel größeren Spiel – und zwar ihres eigenen Spiels, das typischerweise nichts mit den spezifischen Problemen der Länder insgesamt, oder in diesem Fall dieses bestimmten Landes, oder der am Konflikt beteiligten Länder zu tun hat. Es ist lediglich ein Vorwand und ein Mittel, um ihre geopolitischen Ziele zu erreichen, ihre Kontrollzone auszuweiten, und ja, auch ein wenig Geld mit dem Krieg zu verdienen. So haben sie die NATO-Infrastruktur vor unsere Haustür gedrängt und jahrelang gleichgültig zugesehen, wie sich die Tragödie im Donbass, der Völkermord an den Russen und die Vernichtung unserer angestammten, historischen Gebiete abspielten, die 2014 nach dem blutigen Staatsstreich in der Ukraine begann.

Das Handeln der Mehrheit der Länder der Welt steht im Kontrast zu diesem Verhalten, das Europa und unter der vorherigen Regierung bis vor Kurzem die USA gezeigt haben. Sie weigern sich, Partei zu ergreifen und bemühen sich, einen gerechten Frieden zu schaffen. Wir sind allen Ländern dankbar, die in den letzten Jahren ernsthafte Anstrengungen unternommen haben, um einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. Das sind unsere Partner, die Gründungsmitglieder der BRICS-Staaten: China, Indien, Brasilien und Südafrika. Dazu gehören Weißrussland und übrigens auch Nordkorea. Dazu gehören unsere Freunde in der arabischen und islamischen Welt insgesamt, vor allem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Ägypten, die Türkei und der Iran. In Europa gehören auch Serbien, Ungarn und die Slowakei dazu. Und viele weitere Länder in Afrika und Lateinamerika.

Leider ist es bisher nicht gelungen, die Kämpfe zu beenden, aber die Verantwortung dafür liegt nicht bei der „Mehrheit“, sondern bei der „Minderheit“, vor allem bei Europa, das den Konflikt ständig eskalieren lässt – und meiner Meinung nach ist derzeit kein anderes Ziel in Sicht.

Dennoch glaube ich, dass der gute Wille siegen wird, und in diesem Sinne besteht nicht der geringste Zweifel: Ich denke, auch in der Ukraine finden Veränderungen statt, allmählich, das können wir sehen. Egal, wie viel Gehirnwäsche die Menschen erleiden, im öffentlichen Bewusstsein der Ukraine und der meisten Ländern der Welt finden Veränderungen statt.

Tatsächlich ist das Phänomen der globalen Mehrheit im internationalen Leben ein neues Phänomen. Auch dazu möchte ich einige Worte sagen. Worum geht es? Es geht darum, dass die überwältigende Mehrheit der Länder der Welt ihren eigenen zivilisatorischen Interessen verpflichtet ist, deren wichtigste ihre eigene ausgewogene, fortschrittliche Entwicklung ist. Das erscheint selbstverständlich, so war es schon immer. Doch in früheren Epochen wurde das Verständnis eben dieser Interessen oft durch ungesunde Ambitionen, Egoismus und den Einfluss expansionistischer Ideologien verzerrt.

Heute ist sich die Mehrheit der Länder und Völker, eben diese globale Mehrheit, ihrer wahren Interessen bewusst. Vor allem aber spüren sie die Kraft und das Selbstvertrauen, diese Interessen trotz äußerer Einflüsse zu verteidigen. Und ich füge hinzu, dass sie zur Förderung und Verteidigung ihrer eigenen Interessen bereit sind, mit Partnern zusammenzuarbeiten, das heißt, internationale Beziehungen, Diplomatie und Integration zu einer Quelle ihres Wachstums, Fortschritts und ihrer Entwicklung zu machen. Die Beziehungen innerhalb der globalen Mehrheit sind der Prototyp politischer Praktiken, die in einer polyzentrischen Welt notwendig sind und funktionieren.

Dazu gehören Pragmatismus und Realismus, die Ablehnung der Philosophie der Blöcke, das Fehlen harter, von irgendwem aufgezwungener Verpflichtungen und Modelle, bei denen es Senior- und Juniorpartner gibt. Und schließlich die Fähigkeit, Interessen zu kombinieren, die nicht immer übereinstimmen, sich aber insgesamt nicht widersprechen. Und das Fehlen von Antagonismus wird zum Grundprinzip.

Die neue Welle der faktischen Entkolonialisierung gewinnt derzeit an Dynamik, da ehemalige Kolonien neben ihrer Staatlichkeit auch politische, wirtschaftliche, kulturelle und weltanschauliche Souveränität erlangen.

In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Jubiläum bedeutsam. Wir haben gerade den 80. Jahrestag der Vereinten Nationen gefeiert. Sie sind nicht nur die repräsentativste und universellste politische Struktur der Welt, sondern auch ein Symbol für den Geist der Zusammenarbeit, der Allianz und sogar der Waffenbrüderschaft, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts dazu beitrug, die Anstrengungen im Kampf gegen das schrecklichste Übel der Geschichte zu vereinen: die gnadenlose Maschinerie der Vernichtung und Versklavung.

Und die entscheidende Rolle, darauf sind wir stolz, bei diesem gemeinsamen Sieg, dem Sieg über den Nationalsozialismus, spielte natürlich die Sowjetunion. Man muss sich nur die Zahl der Opfer aller Mitglieder der Anti-Hitler-Koalition ansehen und alles wird sofort klar.

Die Vereinten Nationen sind natürlich das Erbe des Sieges im Zweiten Weltkrieg, die bislang erfolgreichste Erfahrung bei der Schaffung einer internationalen Organisation, in deren Rahmen drängende globale Probleme angegangen werden können.

Jetzt hört man oft, das UN-System sei gelähmt und in der Krise. Das ist zu einem Gemeinplatz geworden. Manche argumentieren sogar, dass die UNO ihren Nutzen überlebt hat, dass sie zumindest radikal reformiert werden muss. Ja, natürlich steht die UNO vor zahlreichen Herausforderungen. Aber es gibt bisher nichts Besseres als die UNO. Auch das muss man anerkennen.

Das Problem ist nicht wirklich die UNO, denn ihr Potenzial ist immens. Die eigentliche Frage ist, wie wir selbst – diese vereinten und nun leider gespaltenen Nationen – diese Chancen nutzen.

Niemand bestreitet, dass die UNO vor Schwierigkeiten steht. Wie jede Organisation muss sie sich heute an veränderte Realitäten anpassen. Bei der Reform und Weiterentwicklung ist es jedoch entscheidend, ihre Kernbedeutung nicht zu verlieren oder zu verzerren – nicht nur die, die bei der Gründung der Vereinten Nationen festgelegt wurde, sondern auch die, die sie im Laufe ihrer komplexen Entwicklung erworben hat.

In diesem Zusammenhang muss man sich daran erinnern, dass sich die Zahl der UNO-Mitgliedsstaaten seit 1945 fast vervierfacht hat. Die Organisation, die auf Initiative mehrerer großer Länder entstand, ist im Laufe der Jahrzehnte nicht nur gewachsen, sie hat eine Vielzahl unterschiedlicher Kulturen und politischer Traditionen aufgenommen, Vielfalt erlangt und ist wahrhaft multipolar geworden, lange bevor die Welt multipolar wurde. Das Potenzial des UN-Systems beginnt sich gerade erst zu entfalten und ich bin zuversichtlich, dass das in der kommenden neuen Ära und schneller geschehen wird.

Mit anderen Worten bilden die Länder der globalen Mehrheit nun selbstverständlich eine überzeugende Mehrheit innerhalb der Vereinten Nationen, was bedeutet, dass ihre Struktur und ihre Leitungsgremien dieser Tatsache angepasst werden müssen, was im Übrigen viel stärker den Grundprinzipien der Demokratie entsprechen wird.

Ich leugne nicht, dass derzeit keine Einigkeit darüber besteht, wie die Welt organisiert sein soll oder auf welchen Prinzipien sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten basieren soll. Wir befinden uns in einer langen Phase der Suche, in der wir uns vortasten. Wann endlich ein neues, nachhaltiges System und sein Rahmen entstehen werden, ist ungewiss. Wir müssen uns darauf einstellen, dass soziale, politische und wirtschaftliche Entwicklungen noch lange Zeit unvorhersehbar und zeitweise sehr schwankend sein werden.

Um klare Leitlinien zu wahren und auf Kurs zu bleiben, braucht jeder ein solides Fundament. Unserer Ansicht nach sind dies in erster Linie die Werte, die in nationalen Kulturen über Jahrhunderte gereift sind. Kultur und Geschichte, ethische und religiöse Normen, der Einfluss von Geographie und Raum, das sind die grundlegenden Elemente, die Zivilisationen hervorbringen, die unverwechselbaren Gemeinschaften, die über Jahrhunderte aufgebaut werden und nationale Identität, Werte und Traditionen definieren – all dies dient als Wegweiser, die es uns ermöglichen, durch die Stürme des turbulenten Ozeans des internationalen Lebens zu navigieren.

Traditionen sind immer einzigartig, unverwechselbar und für jeden die eigenen. Der Respekt vor diesen Traditionen ist die erste und wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung internationaler Beziehungen und die Lösung neu auftretender Probleme.

Die Welt hat Versuche der Vereinigung erlebt, die Auferlegung eines vermeintlich universellen Modells auf alle, das den kulturellen und ethischen Traditionen der meisten Völker zuwiderlief. Die Sowjetunion hat sich dessen einst schuldig gemacht, indem sie ihr politisches System aufzwang. Wir wissen darum. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass dem jemand widersprechen würde. Dann übernahmen die USA den Staffelstab. Auch Europa war nicht anders. In beiden Fällen hat nichts funktioniert. Oberflächliches, Künstliches und vor allem von außen aufgezwungenes Verhalten hält nicht lange. Und wer seine eigenen Traditionen respektiert, greift in der Regel nicht in die anderer ein.

Vor dem Hintergrund internationaler Instabilität wird nun besonderes Augenmerk darauf gelegt, eine Grundlage für eine von internationalen Turbulenzen unabhängige Entwicklung zu schaffen. Und wir sehen, wie sich Länder und Völker genau diesen Grundlagen zuwenden. Dies geschieht nicht nur in den Ländern der Weltmehrheit, auch die westlichen Gesellschaften kommen zu dieser Erkenntnis. Wenn sich jeder davon leiten lässt, sich auf sich selbst konzentriert und sich nicht in unnötigen Ambitionen verzettelt, wird es leichter, Gemeinsamkeiten mit anderen zu finden.

Die aktuellen Erfahrungen des Umgang Russlands mit den USA können als Beispiel angeführt werden. Unsere Länder haben bekanntlich viele Widersprüche und unsere Ansichten zu vielen globalen Fragen stimmen nicht überein. Für solche Großmächte ist das normal, ja sogar völlig selbstverständlich. Die Hauptsache ist, wie diese Widersprüche gelöst werden können und inwieweit sie friedlich gelöst werden können.

Die derzeitige Regierung im Weißen Haus äußert ihre Interessen und Wünsche direkt, da werden Sie mir sicher zustimmen, manchmal sehr deutlich, aber ohne unnötige Heuchelei. Es ist immer besser, klar zu verstehen, was die andere Seite will und was sie erreichen will, als zu versuchen, die wahre Bedeutung in einer Reihe von Zweideutigkeiten, Unklarheiten und vagen Andeutungen zu erkennen.

Wir sehen, dass sich die derzeitige US-Regierung in erster Linie von den Interessen ihres eigenen Landes leiten lässt, so wie sie diese versteht. Ich halte das für einen rationalen Ansatz.

Aber dann, entschuldigen Sie, behält auch Russland sich das Recht vor, sich von unseren nationalen Interessen leiten zu lassen, zu denen übrigens auch die Wiederherstellung vollwertiger Beziehungen zu den USA gehört. Und ungeachtet der Widersprüche: Wenn wir einander mit Respekt begegnen, werden Verhandlungen, selbst die härtesten und stursten, immer das Ziel haben, einen Konsens zu erzielen, und das bedeutet, dass am Ende für beide Seiten akzeptable Lösungen möglich sind.

Multipolarität und Polyzentrismus sind eine Realität, die bleiben wird. Wie schnell und effektiv wir darauf aufbauend eine nachhaltige Weltordnung schaffen können, hängt von jedem Einzelnen von uns ab. Und eine solche Ordnung, ein solches Modell, ist in der modernen Welt nur durch gemeinsame Anstrengungen möglich, durch die Mitwirkung aller. Ich wiederhole: Die Zeiten, in denen eine kleine Gruppe der mächtigsten Nationen entschieden hat, wie der Rest der Welt leben soll, sind für immer vorbei.

Daran müssen sich diejenigen erinnern, die sich nostalgisch an die Kolonialzeit erinnern, als die Menschen traditionell in Gleiche und Gleichere geteilt waren. Orwells Satz ist uns wohlbekannt.

Wir, Russland, waren nie von diesem rassistischen Problemverständnis geprägt, diese Haltung gegenüber anderen Völkern und Kulturen war nie charakteristisch für Russland und wird es auch nie sein.

Wir stehen für Vielfalt, Polyphonie, eine Symphonie der Werte. Die Welt, da werden Sie mir zweifellos zustimmen, erscheint langweilig, wenn sie eintönig ist. Russland hat ein sehr turbulentes und schwieriges Schicksal hinter sich. Schon die Entstehung des russischen Staates war ein ständiger Kampf gegen gewaltige historische Herausforderungen.

Ich behaupte nicht, dass sich andere Länder in einer Art Treibhaus entwickelt hätten, natürlich nicht. Aber die russische Erfahrung ist in vielerlei Hinsicht einzigartig, genauso wie das Land, das sie geschaffen hat, einzigartig ist. Das erhebt keinen Anspruch auf Exklusivität oder Überlegenheit, es ist lediglich die Feststellung unserer Einzigartigkeit.

Wir haben zahlreiche Umbrüche erlebt und der Welt Anlass zu sehr unterschiedlichen Überlegungen gegeben, sowohl negativen als auch positiven. Doch dank unseres historischen Hintergrunds sind wir besser auf die komplexe, nichtlineare und mehrdeutige globale Situation vorbereitet, mit der wir alle konfrontiert sind.

 Thomas Röper: PUTINS PLANIn all diesen Wendungen hat Russland eines bewiesen: Es war, ist und wird immer sein. Seine Rolle in der Welt verändert sich, das verstehen wir, aber es bleibt eine konstante Kraft, ohne die es schwierig und oft unmöglich ist, Harmonie oder Gleichgewicht zu erreichen. Diese durch Geschichte und Zeit erprobte, erwiesene Tatsache ist unbestreitbar.

Doch in der heutigen multipolaren Welt kann diese Harmonie, dieses Gleichgewicht, von dem ich sprach, natürlich nur durch gemeinsame Arbeit erreicht werden. Und ich möchte Ihnen versichern, dass Russland zu dieser Arbeit bereit ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Ende der Übersetzung (von Thomas Röper, kleine Schreibfehler wurden korrigiert  T.S.)

Nachtrag vom 03. 10. 2025:

Präsident Putin signalisiert Frieden für Donald Trump in Valdai


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Thomas Schulze


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