Eine kritische Analyse der Abwürfe von Atombomben und ihrer bis heute wirksamen politischen und ideologischen Hintergründe.
Vor 80 Jahren – USA werfen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki
Im August 2025 jährt sich zum 80. Mal der Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Ein barbarischer Höhepunkt der imperialistischen Kriegslogik. Schon 1945 wurde deutlich, dass dem US‑Imperialismus der Einsatz der Atombomben als Gewaltmittel zur Machtsicherung diente. Statt den Zweiten Weltkrieg auch in Asien zu beenden, sollten Hiroshima und Nagasaki Demonstrationsobjekte sein – ein „Experiment der Herrschaft“ über die politischen Gegner und die Völker, deren Nachwirkungen strukturelle Gewalt und atomare Gewaltandrohung in die internationale Politik einführte.
Anlässlich dieser Ereignisse erschienen in verschiedenen (meist „alternativen“) Medien einige Beiträge, in denen die Geschichte und geschichtliche Wirkung der Atombombenabwürfe faktenreich und kritisch beleuchtet wird.
Nachfolgend einige Kurzrezensionen zu ausgewählten Beiträgen.
John Pilger — Another Hiroshima Is Coming — Unless We Stop It Now
In „Another Hiroshima Is Coming — Unless We Stop It Now“ warnt John Pilger eindringlich: Die US‑Rhetorik rechtfertigt erneut Massenvernichtungswaffen, diesmal gegen China.
Pilger erinnert:
„‚Keine Radioaktivität in den Trümmern von Hiroshima‘, lautete eine Schlagzeile der New York Times vom 13. September 1945, ein Klassiker der gezielten Desinformation. ‚General Farrell‘, berichtete William H. Lawrence, ‚bestritt kategorisch, dass [die Atombombe] eine gefährliche, anhaltende Radioaktivität erzeugt habe.'“
Gesellschaftlich betrachtet offenbart Pilger, wie vergangene Atombombenpropaganda fortlebt. Noch immer dient sie dazu, internationale Konflikte ideologisch zu legitimieren. Die Kontinuität kapitalistischer Gewalt belegte er unter anderem mit seinem 2016 veröffentlichten Dokumentarfilm „The Coming War on China„. Darin zeigt Pilger die Spur von den Atombombentest auf den Marshallinseln im Pazifik seit 1945 bis zur US-Politik gegenüber China im Jahr 2015.
The Enduring Myth of Hiroshima & Nagasaki (John LaForge)
John LaForge dekonstruiert in dem Artikel „The Enduring Myth of Hiroshima & Nagasaki“ den Mythos, die Atombomben hätten den Krieg beendet und Leben gerettet. Er führt historische Dokumente an, die zeigen, dass Japan bereits geschlagen war und auf Frieden drängte.
LaForge verweist darauf, dass während des Krieges und der Besatzung Japans durch die USA Zensoren alle Filme und Fotos der beiden atombombengeschädigten Städte beschlagnahmten, und die US-Regierung diese jahrzehntelang unter Verschluss hielt.
Dieser Artikel illustriert, wie Geschichtskonstruktion – durch Ideologie – Kriegsverbrechen verharmlost und imperialistische Strategien der Herrschaftslegitimation sichert. Der Artikel ist eine wichtige Entlarvung herrschaftlicher Mystifikation der Kriegsgewalt.
When Time Stopped in Hiroshima — and When It Was Stolen
Joe Lauria verbindet in seinem Artikel „When Time Stopped in Hiroshima — and When It Was Stolen“ persönliche Zeugnisse der Überlebenden mit einer scharfen Kritik an der politischen Vereinnahmung ihrer Geschichte. Er zeigt, wie das subjektive Erleben der Katastrophe – der Moment, in dem buchstäblich „die Zeit stehen blieb“ – später in der offiziellen Darstellung umgedeutet und instrumentalisiert wurde.
Die Erinnerung der Hibakusha – beispielsweise durch Akiko Mikamo, der Tochter eines Opfers – wird von den Vertretern der offiziellen Politik zurückgedrängt oder in einen offiziellen Mythos eingepasst. Nicht nur die US-Regierungen und Medien verschleiern die Verantwortung. Auch japanische Politiker scheuen sich oft, die Verantwortlichen für den Einsatz der Atombomben zu nennen.
Durch die Kombination von Augenzeugenberichten und politischer Analyse in Laurias Artikel wird klar: Die Zerstörung endete nicht 1945, sondern setzt sich in der Manipulation des kollektiven Gedächtnisses fort.
Truman’s Human Sacrifice to Subdue Moscow
Auch der Artikel „Truman’s Human Sacrifice to Subdue Moscow“ von Peter Kuznick beleuchtet, wie der Abwurf der Atombomben nicht primär der Beendigung des Zweiten Weltkriegs, sondern der Machtdemonstration gegenüber der Sowjetunion diente. Er schreibt:
„James Byrnes, der Anfang Juli Trumans Außenminister wurde, aber seit dessen Amtsantritt sein vertrautester Berater gewesen war, und General Leslie Groves, die treibende Kraft hinter dem Manhattan-Projekt, behaupteten beide, dass die Sowjetunion das eigentliche Ziel hinter dem Bombenprojekt sei. Byrnes erklärte Ende Mai gegenüber drei zu Besuch weilenden Wissenschaftlern, dass die Bombe notwendig sei, um die sowjetischen Eroberungen in Osteuropa rückgängig zu machen.“
Damit wird deutlich, dass die Vernichtung von Hiroshima und Nagasaki ein bewusst kalkuliertes Signal im aufziehenden Kalten Krieg war. Damit demonstrierten die USA ihren Willen zur Durchsetzung der globalen US-Vorherrschaft.
Die Opfer waren nicht nur japanische Zivilisten, sondern auch ein „menschliches Pfand“, um geopolitische Dominanz zu sichern. Kuznick beschreibt auch, wie die Japanische Vereinigung der Organisationen der Atom- und Wasserstoffbombenüberlebenden (Nihon Hidankyo) gegründet wurde. Ihre Mitglieder setzten sich fortan für die medizinische Versorgung und andere Rechte und Leistungen der Hibakusha ein.
Der Artikel legt offen, wie Truman und die US-Führung militärische Gewalt als politisches Kapital einsetzten. Sie läuteten den Übergang vom Weltkrieg zur bipolaren Ordnung ein. Historische Dokumente untermauern, dass die militärische Notwendigkeit zweitrangig war. Die strategische Einschüchterung der Sowjetunion stand im Vordergrund.
How US Spies Secured the Hiroshima Uranium
Ein wohl noch immer weitgehend unbekanntes Geheimnis enthüllt Joe Lauria in dem Artikel „How US Spies Secured the Hiroshima Uranium“. Lauria beleuchtet, wie US-Geheimdienste im Rahmen des Manhattan-Projekts das für Hiroshima verwendete Uran durch ein globales Netzwerk von Spionage, Ausbeutung und wirtschaftlicher Kontrolle beschafften. Er offenbart einen Prozess der engen Verzahnung von kapitalistischer Produktionslogik, imperialistischer Ressourcenaneignung und militärischer Gewalt.
Die Beschaffung des Urans war kein rein technisches Problem. Vielmehr zeigte sich, wie imperiale Mächte fähig waren, sich Rohstoffe aus kolonialen und halbkolonialen Gebieten anzueignen. Damit sicherten sie geopolitische Vorherrschaft über mehrere Jahrzehnte. Ausgehend von den Enthüllungen von Susan Williams verweist Lauria auf den verdeckten Wettlauf zwischen US-Amerikanern und den Nazis um das tödliche Uran.
Der Artikel zeigt, wie Spionage als ökonomisches und politisches Werkzeug fungierte, um die materielle Grundlage für das US-Atommonopol zu schaffen. Die Analyse verdeutlicht, dass der Atombombenabwurf nicht nur ein militärischer Akt war, sondern das Endprodukt einer globalen, von Klasseninteressen bestimmten Arbeitsteilung.
„80 Jahre Hiroshima: Mahnung gegen das atomare Vergessen“
Der Artikel „80 Jahre Hiroshima: Mahnung gegen das atomare Vergessen“ von Leo Ensel auf den NachDenkSeiten verknüpft historische Aufarbeitung mit einer scharfen Kritik an der aktuellen nuklearen Aufrüstung. Der Autor zeigt, dass die Atombombenabwürfe nicht als isolierte Kriegshandlungen, sondern als Teil einer imperialistischen Machtstrategie verstanden werden müssen, deren Logik bis heute fortwirkt.
Ensel kritisiert die selektive Erinnerungskultur des Westens, die Kriegsverbrechen relativiert und geopolitische Interessen verschleiert. Er betont, wie die herrschende Klasse historische Narrative formt, um nukleare Abschreckung auch im 21. Jahrhundert ideologisch zu rechtfertigen. Durch die Verbindung von Zeitzeugenberichten, geopolitischer Analyse und aktueller Abrüstungspolitik verdeutlicht der Artikel, dass die Bedrohung durch Atomwaffen ein strukturelles Problem derzeitigen Weltordnung ist.
Für Ensel besonders kritikwürdig ist, dass die überwiegende Mehrheit der Zeitgenossen nach wie vor in Apathie und Schockstarre verharrt, obwohl die Zeiger der „Weltuntergangsuhr“ auf 89 Sekunden vor dem Weltuntergang stehen. Größtenteils lässt die Bevölkerung all dies völlig kritik- und klaglos über sich ergehen! Der Widerstand gegen diese Entwicklung regt sich, wenn überhaupt, erst äußerst zaghaft.
Donald Trumps Atomkriegsdrohung – nur ein Sturm im Wasserglas?
Peter Hänseler und Andreas Mylaeus gehen in ihrem Beitrag auf Forum Geopolitika der Frage nach: „Donald Trumps Atomkriegsdrohung – nur ein Sturm im Wasserglas?“
Die zunehmend erfolgreiche Militäroperation Russlands im Donbass und der iranische Gegenschlag gegen die US-israelischen Angriffe vor allem auf iranische Atomanlagen lassen nach Ansicht der beiden Autoren dem Westen in der konventionellen Kriegsführung keine Möglichkeit der Eskalationsdominanz.
„Da aber die westlichen Kriegsziele des Regimechange in Russland (um das Land anschliessend filletieren und auswaiden zu können) und im Iran (um den Nahen Osten wieder beherrschen zu können) nicht aufgegeben werden, müssen sich die betreffenden Länder weiterhin darauf einstellen, mit entsprechenden Enthauptungsschlägen überzogen zu werden. Als militärisches Mittel bleibt dem Westen dafür neben Geheimdienstaktionen letztlich nur der Einsatz von Atomwaffen, weil seine konventionellen Waffen versagen.“
Davon ausgehend fragen Hänseler und Mylaeus: „Steht uns ein Atomkrieg bevor?“
„Steuern wir also wirklich auf eine atomare Eskalation zu, an deren Ende die Zerstörung der Welt steht oder handelt es sich um einen Sturm im Wasserglas? Aus unserer Sicht: weder – noch.“
Doch auch für sie bleibt – wie für Ensel – die existenzielle Frage: „Und wo bleibt die Friedensbewegung?“
Bundesweite Demonstration am 3. Oktober 2025 in Berlin und in Stuttgart
Nachtrag vom 09. 08. 2025:
„Atomic Bombings at 80: The Mystery of the Nagasaki Bomb“
Ein weiterer Artikel von John LaForge hinterfragt erneut kritisch den Abwurf von Atombomben vor 80 Jahren auf Nagasaki. LaForge hebt die ideologische Rechtfertigungen als Ausdruck US-imperialistischer Barbarisierung hervor. Er zeigt auf, wie Machtinteressen und technologische Gewalt gegen Zivilisten durchgesetzt wurden. Der Autor hinterfragt widersprüchliche Narrative wie etwa die Angabe von 74 000 sofortigen Todesopfern.
Zugleich wird deutlich, wie Geschichte kontrolliert und instrumentalisiert wird – klassischer Klassenkampf auf ideologischer Ebene. Dabei wird die Tatsache betont, dass die Entscheidung für den Bombenabwurf auf Nagasaki nie vollständig erklärt wurde. LaForge belegt anhand einer Reihe von Aussagen einflussreicher Politiker und Militärs der damaligen Zeit, dass es keine Rechtfertigung für den Atombombenabwurf gab:
„‚Über das Recht und Unrecht im Zusammenhang mit Hiroshima lässt sich streiten‘, sagte Telford Taylor, der Chefankläger im Nürnberger Prozess, einmal, ‚aber ich habe nie eine plausible Rechtfertigung für Nagasaki gehört‘ – das er als Kriegsverbrechen bezeichnete.“
„Atomic Bombings at 80: The Very Un-Christian Nagasaki Bomb“
Der pensionierte Arzt Dr. Gary G. Kohls erinnert in dem Artikel:
„Heute vor achtzig Jahren warf eine ausschließlich aus Christen bestehende Bomberbesatzung die Plutoniumbombe ‚Fat Man‘ über Nagasaki in Japan ab. Dabei wurden Zehntausende unschuldiger Zivilisten, darunter überproportional viele japanische Christen, auf der Stelle vernichtet und unzählige weitere verletzt.
Als Ziel wählte die Bombenmannschaft die Urakami-Kathedrale der Heiligen Maria, die größte christliche Kirche Ostasiens. Als die Bombe am 9. August 1945 um 11:02 Uhr über der Kathedrale abgeworfen wurde, war Nagasaki die christlichste Stadt Japans.“
Die Zerstörung von Nagasaki ist für Kohls ein brutaler Akt christlicher Ideologie im Dienst imperialistischer Gewalt. Er zeigt, wie religiöse Motive ideologisch instrumentalisiert wurden, um das zivile Leid massenhaft zu rechtfertigen. Kohls bezeichnet es als „Gipfel der Ironie, dass die gewaltige Kathedrale – eines von nur zwei Wahrzeichen Nagasakis, die man aus 9.400 Metern Höhe eindeutig identifizieren konnte – zum Ground Zero der Atombombe wurde“.
Die barbarische Tat sei Ausdruck kapitalistischer Übermacht und moralischer Dekadenz. Kohls kritisiert, wie religiöse Symbolik zur politischen Gewalt beiträgt. Dieser Artikel aus christlicher Sicht könnte auch zeitgenössische Friedensdiskurse stärken.
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