Mai 13, 2025
Russland, China und der Ukraine-Konflikt aus US-Sicht
Der Ukraine-Konflikt als Instrument der US-Außenpolitik-Elite
Der ehemalige CIA-Analyst Larry C. Johnson kommentierte am 16. 04. 2025 auf seinem Blog einen Artikel von A. Wess Mitchell aus dem Jahr 2021 - also geschrieben vor Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine. Der dürfte auch für alle interessant sein, die immer noch darüber streiten, ob es sich bei der russischen Militäroperation nun um eine Aggression handelt, oder ob der Ukraine-Konflikt zielgerichtet von den USA und den anderen NATO-Staaten vorbereitet wurde. Beginn der Übersetzung (Hervorhebungen und Zitate wie im Original):Russland ist kein chinesischer Beiwagen
Ich möchte Sie auf einen Artikel von A. Wess Mitchell aufmerksam machen, der im August 2021 im National Interest erschien. Der Artikel „Eine Strategie zur Vermeidung eines Zweifrontenkriegs“ ist eine hervorragende Zusammenfassung der Weltsicht der US-Außenpolitik-Elite: Die Vereinigten Staaten stehen zwei gewaltigen Feinden gegenüber, Russland und China, und wir müssen einen Weg finden, sie zu überlisten und unsere Hegemonie zu behaupten. Mitchell betreibt hier jedoch keine akademische Übung … er verfasste im Herbst 2020 eine Version dieses Papiers für das Office of Net Assessment des Pentagons. Dies war ein Fahrplan für den Krieg in der Ukraine – d. h., Russland zu einem Angriff auf die Ukraine zu provozieren und es dann mit westlicher Hilfe haushoch zu verprügeln. Ich habe heute von diesem Artikel erfahren, als ich Alexander Mercouris zuhörte. Herr Mitchell ist ein intelligenter, gebildeter Mann, aber er ist einer Ideologie und Weltanschauung verhaftet, die dem Tiefen Staat Probleme bereitet. Er beschwört eine manichäische Welt herauf, stellt Russland und China als gefräßige Imperialisten dar, die wild entschlossen sind, die friedliebenden Länder der Welt zu verschlingen, während er die Vereinigten Staaten als Macht des Guten anpreist. Er ignoriert die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten – und nicht Russland oder China – in den letzten 70 Jahren das einzige Land waren, das mehrere Farbrevolutionen angezettelt und unzählige Nationen weltweit unerbittlich angegriffen und geplündert hat. Sein Artikel verfolgt ein einziges Ziel: Er will einen Strohmann – in diesem Fall Strohmann-Argumente – erschaffen, um die militärische Expansion der USA zu rechtfertigen, und tut dies unter dem Deckmantel der Diplomatie. Mitchell räumt zu Recht ein, dass den USA die militärische Stärke und die Ressourcen fehlen, um gleichzeitig gegen Russland und China vorzugehen. Zumindest ist er nicht verrückt. Er diskutiert drei diplomatische Optionen, die zur Eindämmung Russlands und Chinas eingesetzt werden könnten:Option 1: Den Schwächeren „umdrehen“. Die wohl gängigste Form der Abfolge ist, sich mit dem schwächeren von zwei Rivalen zu verbünden, um die Ressourcen auf den stärkeren zu konzentrieren. Diese Methode nutzte das edwardianische Großbritannien, als es das zaristische Russland – gegen das es in Zentralasien einen jahrzehntelangen Kalten Krieg geführt hatte, der nicht weniger heftig war als der unsere – für ein Bündnis gegen das deutsche Kaiserreich rekrutierte. Option 2: Den Wettbewerb mit dem Stärkeren hinauszögern. Eine zweite Strategie besteht darin, die Rivalität mit dem Stärkeren hinauszuzögern, um den Schwächeren endgültig zu erledigen. Die Republik Venedig Mitte des 16. Jahrhunderts nutzte diese Strategie, um die Bedrohung durch das aufstrebende Osmanische Reich abzuwehren und ihren Rivalen Mailand vom Festland endgültig zu erledigen. Eine ähnliche Logik leitete Großbritanniens unglückseliges Bemühen in den 1930er Jahren, Deutschland zu beschwichtigen, um die Marineressourcen für den Fernen Osten zu priorisieren und Zeit für die Wiederaufrüstung in Europa zu gewinnen. Option 3: Beide Rivalen kooptieren. Die dritte und schwierigste, aber vielleicht eleganteste Lösung für das Gleichzeitigkeitsproblem besteht darin, es vollständig zu überwinden – seinen Druck zu neutralisieren, indem beide Rivalen in kooperative Strukturen eingebunden werden, die Konflikte verhindern oder abmildern. Mit dieser Methode verstrickte der österreichische Staatsmann Klemens von Metternich im 19. Jahrhundert Österreichs Rivalen Frankreich und Russland in ein System konzertierter Diplomatie, das fast ein Jahrhundert lang den Frieden in Europa sicherte.Was schlägt Herr Mitchell also vor? Den Krieg in der Ukraine:
Das Leitmotiv der Russland-in-Europa-Politik sollte der unnachgiebige Widerstand gegen eine russische Expansion sein, die in einer entscheidenden Niederlage der aktuellen Ziele Russlands in den europäischen Grenzgebieten gipfeln könnte. Die Geschichte zeigt, dass Russland eine Entspannungspolitik mit einem Gegner erst dann ernst nimmt, wenn es durch eine Niederlage oder einen schweren Rückschlag dazu gezwungen wurde. Dies war ebenso eine Voraussetzung für Ronald Reagans Erfolg in Reykjavík nach der sowjetischen Niederlage in Afghanistan wie für die englischen Staatsmänner, die nach Russlands Niederlage in Port Arthur 1905 die englisch-russische Entente vermittelten. Versuche, eine Entspannungspolitik zu erreichen, bevor Russland einen solchen Rückschlag erlitten hat, werden wahrscheinlich nicht nur scheitern, sondern auch kontraproduktiv sein, da sie implizit Territoriumsabtretungen bedeuten und die Wette der aktuellen russischen Führung bestätigen, ein neues Imperium im Westen sei mit Waffengewalt erreichbar. Das heutige Äquivalent zu Port Arthur oder Afghanistan ist die Ukraine. Die Vereinigten Staaten sollten Russland eine militärische Niederlage von ausreichendem Ausmaß wünschen, um seine Führung dazu zu bewegen, ihre Annahmen über die Freizügigkeit des postsowjetischen Raums als bevorzugte Zone strategischer Expansion zu überdenken. Amerika kann dazu ähnlich beitragen wie in Afghanistan: indem es der lokalen Bevölkerung die Mittel zur Verfügung stellt, Russland stärker als bisher Widerstand zu leisten, und indem es die europäischen Verbündeten ermutigt, dasselbe zu tun. Zudem sollten wir die Kosten für Cyber- und andere Angriffe auf die Vereinigten Staaten deutlich erhöhen, unter anderem durch entsprechende Angriffe auf kritische russische Infrastruktur und durch Sanktionen gegen Putins inneren Zirkel und den Sekundärmarkt für russische Anleihen. Dieser Schmerz muss jedoch über bloße Bestrafung hinausgehen: Er soll Russland strategisch eine Niederlage zufügen und es davon überzeugen, dass sein eingeschlagener Weg der Westexpansion beendet ist. Im Gegensatz dazu sollte die US-Politik gegenüber Russland in Asien darauf ausgerichtet sein, Russlands Fokus und Energien in diese Richtung zu lenken. Eine solche Politik müsste wirtschaftliche, militärische und politische Elemente umfassen.Da haben Sie es. Wenn Sie glauben, die Ghule im Pentagon hätten dieses Papier in den Müll geworfen oder in einem riesigen Lagerhaus verstaut, sind Sie naiv. Herr Mitchell lieferte die Grundlage für die Provokation Russlands zum Angriff auf die Ukraine und die Strategie, die Ukraine mit Waffen, Geheimdienstinformationen und Geld zu versorgen. Dieser Artikel ist voller falscher Annahmen. Mitchell geht beispielsweise davon aus, dass Russlands Wirtschaft schwach und nicht in der Lage sei, mit der westlichen Militärleistung mitzuhalten. Hoppla! Wie konnte das nur passieren? Eine weitere fehlgeleitete, falsche Annahme – und diese ist nicht nur Herrn Mitchell vorbehalten, sondern wird auch von den meisten Deep-State-Strategen geteilt – ist, dass Russland gegenüber China die Gefängnisschlampe sei und letztlich davon überzeugt werden könne, mit Peking zu brechen. Mitch schreibt:
Durch die Vergrößerung des Machtgefälles zwischen China und Russland hat die Pandemie Russlands wirtschaftliche Abhängigkeit von China als Quelle von Kapital, Märkten und internationaler politischer Unterstützung erhöht. Paradoxerweise dürfte gerade diese zunehmende Abhängigkeit die russische Angst verstärken, zum Handlanger der Ambitionen Pekings zu werden, und Moskau Anreize für eine Neuausrichtung seiner Außenpolitik schaffen.Ich war erstaunt über die Anzahl US-Experten und Kommentatoren, die fest davon überzeugt sind, dass die Beziehungen zwischen Russland und China oberflächlich und vorübergehend sind. Sie glauben ernsthaft, dass die Vereinigten Staaten Russland zynisch gegen China ausspielen können und dass keines der beiden Länder klug genug ist, diese amerikanische Masche zu durchschauen. Ich habe Außenminister Lawrow genau dazu befragt. Er spottete darüber. Lawrow merkte zwar an, dass Russland und China aufgrund ihrer jeweiligen Geschichte einige Unterschiede aufweisen, sie aber im Grunde vereint sind, um den imperialistischen Ambitionen des Westens entgegenzutreten. Russland und China sind eine umfassende strategische Partnerschaft eingegangen, die Verteidigung, Produktion, Handel, Finanzen und Diplomatie umfasst. Der Krieg in der Ukraine, Israels Völkermordpolitik in Westasien, die drohende Zerstörung des Iran und der Zollkrieg gegen China sind keine getrennten, voneinander unabhängigen Konflikte. Die russische und die chinesische Führung haben dies verstanden und handeln gemeinsam, um der US-amerikanischen Strategie des Teilens und Herrschens entgegenzuwirken. Deshalb führten Russland und China in der ersten Märzwoche eine gemeinsame Militärübung mit dem Iran durch. Deshalb trafen sich russische, chinesische und iranische Diplomaten im März zweimal – zunächst in Peking und dann vor einer Woche in Moskau. Sie koordinieren ihre Politik und diskutieren Strategien für den Umgang mit der Bedrohung durch die USA. Ich glaube nicht, dass Donald Trump und sein Team von Wackelköpfen das begreifen. Ende der Übersetzung Anmerkungen:
- A. Wess Mitchell war keinesfalls der Einzige, der vorschlug, "Russland zu einem Angriff auf die Ukraine zu provozieren". Erinnert sei nur an die ausführliche Studie der RAND-Corporation vom April 2019 unter dem Titel: "Overextending and Unbalancing Russia".
- Zu dem Verweis Larry Johnsons auf das Gespräch mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow über den Ukraine-Konflikt siehe "US-Blogger sprechen mit Sergei Lawrow über Ukraine-Konflikt"
- Dossier zum Ukraine-Konflikt
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