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August 22, 2024

Josef Schuster: „BSW befeuert den Israelhass in Deutschland“

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, erhebt in einem Interview, das die WELT am 20. 08. 2024 veröffentlichte, schwere Vorwürfe gegen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Er kritisiert dessen Haltung gegenüber Israel als unangemessen und populistisch. Welche Auswirkungen diese Positionierung auf die gesellschaftliche Debatte hat und welche unterschiedlichen Meinungen dazu bestehen, lesen Sie hier.

Josef Schuster wirft BSW Israelhass vor

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat sich deutlich gegen die jüngsten Äußerungen des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) positioniert. Besonders kritisch sieht er die Formulierung des BSW von einem „israelischen Vernichtungsfeldzug“. Schuster erklärte hierzu:
"Von einem 'Vernichtungsfeldzug' zu sprechen, halte ich für völlig unangemessen. Israel kämpft gegen die Terrororganisation Hamas – und nicht gegen die palästinensische Bevölkerung."
In Schusters Augen trägt das BSW mit dieser Wortwahl (über die u. a. der Tagesspiegel berichtete) und seiner generellen Positionierung eher zur Verstärkung des Israelhasses in Deutschland bei, als zu einer sachlichen Auseinandersetzung:
„Das BSW befeuert mit seiner eher populistischen Positionierung den Israelhass in Deutschland.“
Schuster stellt klar, dass es beim Streben nach Frieden nicht nur um die Abwesenheit von Krieg gehe, sondern auch darum, die Sicherheit der israelischen Bevölkerung zu gewährleisten:
"Frieden heißt aber nicht nur einfach 'kein Krieg'. Es muss ebenso sichergestellt werden, dass die Bevölkerung in Israel angstfrei leben kann. Ohne Angst vor Terror, Raketen und Krieg. Was wäre denn in Deutschland los, wenn uns ein Nachbarland regelmäßig mit Raketen beschießen würde?"
Die "Raketen", auf die Schuster verweist, werden in dem Interview durch einen Link allerdings nicht mit der Hamas verbunden. Vielmehr weist der Link auf die Reaktion des Iran, nachdem Israel am 01. 04. 2024 die iranische Botschaft in Damaskus bombardiert hatte. So sehr berechtigt Schuster fordert, dass Frieden "nicht nur einfach 'kein Krieg'" sein darf, so stellt sich dem Leser wohl auch die Frage, ob das nur für Israel gilt? Und wessen Sicherheit wird im Nahen Osten von wem bedroht?

Bundesregierung: "Deutschland steht an der Seite Israels"

Schusters Aussagen stimmen grundsätzlich auch mit der offiziellen deutschen Politik überein. So erklärte der Bundesjustizminister Marco Buschmann am 14. 02. 2024 in einer Rede Deutschlands Solidarität mit Israel: "Deutschland steht an der Seite Israels. Nicht nur wegen unserer historischen Verpflichtung." Er betonte, dass Israels Kampf gegen die Hamas im Einklang mit internationalem Recht stehe, eine Einschätzung, die auch vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag bestätigt wurde. An der Stelle erinnert sich der informierte Leser möglicherweise genauer an die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 26. 01. 2024. Der IGH forderte Israel auf,
"gemäß seinen Verpflichtungen aus dem Völkermord-Übereinkommen alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass gegen die Palästinenser im Gazastreifen folgende Handlungen begangen werden, die in den Anwendungsbereich von Artikel II des Übereinkommens fallen: a) Tötung von Gruppenmitgliedern, b) schwere Schädigung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit von der Gruppe, c) vorsätzliche Unterwerfung der Gruppe unter Lebensbedingungen, die dazu bestimmt sind, die die zu ihrer vollständigen oder teilweisen physischen Zerstörung führen sollen, und d) Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten innerhalb der Gruppe".
Wäre eine solche Aufforderung des IGH nötig, wenn "Israels Kampf gegen die Hamas im Einklang mit internationalem Recht" stünde? In einem offiziellen Bericht zum Gaza-Krieg erklärte die UN-Sonderberichterstatterin Albanese im März 2024 laut TAGESSCHAU:
"Die UN-Sonderberichterstatterin für die Palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, sieht 'vernünftige Gründe' für die Annahme eines israelischen Völkermords im Gazastreifen."
Auch DER SPIEGEL kam nicht umhin Ende Juni 2024 zu melden:
"Südafrika hat Israel vor dem Internationalen Gerichtshof einen Genozid im Gazastreifen vorgeworfen, nun schließt sich Spanien der Klage an."
Zeichnet die UN-Sonderberichterstatterin oder Spanien auch "Israelhass" aus?

Opferzahlen in Israel und Palästina

Nicht nur vom BSW in Deutschland werden die politischen und militärischen Handlungen Israels gegen die Palästinenser, insbesondere die Hamas kritisiert. So bezeichnet Larry C. Johnson, ein ehemaliger CIA-Analyst, in einem Blogbeitrag am 01. 05. 2024 vergleichsweise die Hamas als "eine Terrororganisation dritter Klasse". Als Begründung verweist er u. a. anhand offizieller israelischer Berichte auf das ungleiche Verhältnis der Opferzahlen zwischen Israelis und Palästinensern seit 20 Jahren:
"Zwischen 2000 und September 2023 hat Israel 8660 Palästinenser getötet. Das ist fast sechsmal so viel wie die Anzahl der durch palästinensische Terroranschläge in Israel getöteten Israelis."
Als weitere Quellen dafür führt er eine Analyse von vox.com, gestützt u. a. auf die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem, und Statista.com an. Er argumentiert, dass die Palästinenser weit stärker unter dem Konflikt leiden.

Israels Selbstentlarvung

David Hearst, ein britischer Journalist, äußerte sich in einem von consortiumnews.com am 19. 08. 2024 übernommenen Interview mit Chris Hedges  ähnlich kritisch über Israels Militäraktionen:
"Und wenn es darum geht, so viele Palästinenser wie möglich zu töten, ist jeder dazu bereit. In Israel herrscht Blutgier. Ich benutze das Wort biblische Rache, aber es ist widerlich, was sie glauben, ungestraft tun zu können und was trotzdem passieren muss. Eine der schrecklichsten Geschichten kam aus der israelischen Armee, ich weigere mich übrigens, sie die israelischen Verteidigungsstreitkräfte zu nennen, weil ich das Wort IDF nicht verwende, ich sage israelische Armee. Eine dieser schrecklichen Geschichten über Israel kam auf einer sehr guten Website, 972, wie Sie sicher wissen, und es war die Aussage von sechs, glaube ich, Soldaten, alle anonym, die Reservisten in Gaza gewesen waren."
Einen Tag später zitiert Norman Solomon, nationaler Direktor von RootsAction.org und Geschäftsführer des Institute for Public Accuracy, ebenfalls in einem Beitrag auf consortiumnews.com den amerikanischen Autor und politischen Kommentator Peter Beinart:
"Es ist wirklich nicht mehr so umstritten, dass dies als Völkermord gilt. Ich habe die wissenschaftlichen Schriften dazu gelesen. Ich sehe keinen echten Gelehrten des internationalen Menschenrechtsrechts, der sagt, dass es ihn tatsächlich nicht gibt."
Diese kontroversen Positionen verdeutlichen die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Debatte um den Nahostkonflikt. Sie zeigen, wie unterschiedlich die Akteure die Situation bewerten. Während Schuster und Buschmann auf die Bedrohung Israels durch die Hamas und die Legitimität der israelischen Verteidigungsmaßnahmen verweisen, heben Kritiker wie Johnson, Hearst und Beinart die unverhältnismäßigen Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die palästinensische Bevölkerung hervor. Schon gleich gar nicht tragen Schwarz-Weiß-Malerei oder die Gleichsetzung von Kritik an Israel und am Zionismus mit "Israelhass" zu einer Konfliktlösung bei. In der Diskussion um Frieden und Sicherheit im Nahen Osten zeigt sich, dass einfache Lösungen schwer zu finden sind und dass die Debatte von tiefen ideologischen und politischen Gräben geprägt ist. Diese sind nicht erst in den letzten Jahren entstanden, sondern reichen sogar vor die Gründung des israelischen Staates zurück. Auch dafür gibt es vielfältige Analysen und Belege. Siehe u. a.: Nachtrag vom 24. 08, 2024: Zum Thema "Israelhass" und zu einigen Hintergründen der massiven medialen Kritik am Friedensbekenntnis des BSW siehe auch:

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Ihr Thomas Schulze